Stadtapotheke-Kolonialwaren-Bücher-Tinte-Event-Lokal: das Meder Haus

Es war 1961, als Hermann Alexander Neugart, der passionierte Forscher in Sachen Heimat und Lokalgeschichte feststellte, „früher habe man Gebäude mit Vergangenheit oder allgemein denkwürdiger Art vor ihrem Um- oder Neubau „obrigkeits halber“ im Foto festgehalten, um es gewissermaßen im Album für Kultur- und Heimatkunde, als Steckbrief für die Nachwelt zu konservieren“.

Und so sei es in Vorzeiten pure Glückssache gewesen, wenn der richtige Mann im richtigen Moment zur Stelle war, um solche Veränderungen „bourgeoiser“ Äußerlichkeiten rechtzeitig ‚abzukonter-feien‘.
Dies galt dann wohl auch, als der Maler Albert Säger 1895 das Haus des renommierten Kolonialwaren-Händlers Joseph Meder in der Bickenstraße mit architektonischer Exaktheit und kolorierter Fertigkeit verewigte und er kaum ahnte, dass knapp ein Jahrzehnt später die „launische Dame ‚Mode‘“ bereits wieder ihre Robe wechseln und ihre Fassade verändern würde.

Was heute längst zur Gewohnheit wirde, war im damaligen geschäftigen Leben eher eine doch bedächtige Sache im Vergleich zur pressanten Eisenbahn, so Neugart.

Es sei um 1900 oft reizvoll gewesen, aus dem Fenster zu gucken, wenn der Fracht-Fuhrmann vor dem Hause Meder die blau geschnürten Zuckerhüte oder die Zigori-Kisten ablud und in den Laden trug und er die Erdölfässer durch das große Tor an der Gerberstraße ins hintere Lager rollte.

Und so war es schon damals wahrhaftig ein Zierstück für die Bickenstraße, das „Medersche Huus“ mit den überbetonten Fensterstürzen, dem Schurz-Zierrat darunter und den flächigen Fensterläden, zwischen denen sich der Barock-Erker bis heute „selbstgefällig in die Brust wirft“ (Neugart). Markant noch in 1961 der breite Hauseingang mit seinem Sturzbogen und den geschreinerten Torflügeln, durch die der mit Kopfstein gepflasterte Weg zum hinteren Ökonomiegebäude führte.

Schon immer sei das Haus Meder ein besseres Haus gewesen, auch wenn es schon vielen Eigentümern gehörte. Ein Haus also mit großer Vergangenheit.
Als im 17. Jahrhundert für einige Zeit die „bösen Schweden“ die Stadt belagerten, ist das Haus als Stadtapotheke verzeichnet, wo die Bürger ihre Laus-Salben, ihre Pülverchen und ihre Mixturen erstanden.
Und auch in der Folgezeit blieb das Haus dem seligen Äskulap treu, denn bis 1843 betrieb Christoph Salzer dort seine Stadtapotheke, von wo aus er sie im gleichen Jahr in seinen Neubau in der Rietstraße als neue Stadtapotheke umzog.

Für die Neuzeit stellt im Jahre 1961  Hermann Alexander Neugart fest: Das Medersche Haus wurde äußerlich und innerlich stets deutlich verändert, denn hier befindet sich seit 1905 zunächst die Buch- und Kunsthandlung F. K. Wiebelt.

Franz Karl Wiebelt nahm mit 25 Jahren in Villingen seine Geschäfte, die in regionalen Recherchen und historischen Artikeln klar benannt wird.
Bereits 1908/09 erwirbt er in der Bickenstraße das Medersche Haus mit Ladenlokal, das ein Jahr später mit großen Schaufenstern neu gestaltet wird.
Einen großen lokalen Wurf markiert der Verlag F. K. Wiebelt 1914: er veröffentlicht das bis heute populäre historische Büchlein im moosgrünen Leineneinband „Aus Villingens Vergangenheit“ von Albert Fischer.

Nach 1918 erweitert der Buchhändler das Geschäft um Schreibwaren und übernimmt damit 1919 das Sortiment des bisherigen Fachhändlers B. Neininger. Wiebelt bietet sich an als Fachgeschäft für Bürobedarf, wie die Firmen- und Lokalgeschichte erwähnt.

In den weiteren Jahrzehnten entwickelte sich Wiebelt immer deutlicher zum neuzeitlichen Anbieter für Bürobedarf und den zughörigen Büroeinrichtungen.
Franz Josef Wiebelt tritt ab 1940 als Inhaber auch als lokaler Kulturförderer und Verleger auf. Er kuratiert Ausstellungen und fördert regionaler Künstler wie Paul Hirt und verlegt weiter Publikationen zur Villinger Geschichte.
Immer deutlicher konsolidiert Unternehmen Wiebelt seine Stellung als lokal und regional bedeutendes Büro-, Schreibwaren- und Verlagsgeschäft. In lokalen Festschriften und Vereinschroniken gilt F. K. Wiebelt als feste Institution und Förderer der Kultur.

Die Modernisierung, die Diversifikation und der Concept-Store ab den 2000er–Jahren führt bei Franz Wiebelt jun. – Inhaber ab 1990 –  weiter in Richtung Büroeinrichtung, Druck-/Kopiertechnik, IT-Services und dies auch im Lifestyle- und Papeterie-Sortiment. So entstanden Concept-Store-Formate unter der Marke Wiebelt Lifestyle und einem „Top-Concept-Store“

Ab 2014 übernimmt Frank Baumhäckel das Unternehmen, was ab 2017 nach Kenntnis der Medien auf veränderte Markenführung und eine Branchenteilung hinweist: ein weiteres Wiebelt-Geschäft in der Vockenhauser Straße lief zeitweise unter neuer Flagge und unter einem Lifestyle Newcomer SMOW, was die Struktur in der Stadt beeinflusste, so die lokale Presse.

Fazit – viele Jahre galt das Unternehmen als regionaler Mittelständler mit „kultureller Verwurzelung“.
Denn über 125 Jahre war Wiebelt nicht nur ein Händler, sondern auch Verleger lokaler Heimatliteratur und Kulturförderer, er entwickelte auch den Lifestyle für Büros und praktizierte städtische Identität.

Der neue, alte Standort: die Vockenhauser Straße.

Wiebelt in der Bickenstraße, bis Mitte 2015 Anbieter für exklusive Mode und stylisches Wohn-Ambiente, wurde nun zum Lokal für Event-Gastronomie – für gesellschaftliche Anlässe von Jubiläen bis zu Familienfeiern.

Schreibe einen Kommentar