Stadthaus des Kaufmann Abele, des Schuh-Kleinhans, Deichmann und Santander
November 2025 – das Gerüst am Eckhaus steht, die optische Sanierung der Fassade kann beginnen, und danach wird wohl die Santander-Bank einziehen, die dann – zum dritten Mal – nach der ehemaligen Berthold-Apotheke und Schwenningen – in VS den Standort wechselt.
Wer nach der historischen Bedeutung des einstigen Waren-Handels Aberle im Eckhaus Niedere Straße/Brunnenstraße und nach dessen direktem Nachbarn und Mitbewerber Kleinhans und dessen Schuhgeschäft samt Schuh-und Stiefel-Lager fragt, der bewegt sich historisch um die 1920er Jahre.
Wann schließlich Abele aufgab und ab wann Kleinhans das Abele Haus mit dessen deutlich besserem Standort übernahm, wissen allenfalls noch jene, deren Geburtsahrgang um die 1950 liegt.
Denn ab jener Zeit waren angesagte Schuhhändler die Firmen Kleinhans, Köstner am Martplatz und Kammerer in der Rietstraße.
Kleinhans wurde nach einem Neubau in 1965 erst viele Jahrzehnte später übernommen und abgelöst bis 2023 von einer Filiale der Deichmann-Kette.
Das recht große Eckhaus an der Niederen Straße/ Brunnenstraße war jedoch nie eines für ein beliebiges Ladenlokal während des 20. Jahrhunderts, sondern im Ursprung ein historisch gewachsener Stadthaus-Komplex. Allerdings erst ab 1965 mit einem auffälligen Erker mit Wappen zur Brunnenstraße und lokal-geschichtlich mit mehreren frühen Bauphasen.
Somit hat das Objekt architektur-geschichtliche Bedeutung, auch durch den mit einem „fremden“, einem wahrlich amtlich verordneten Erker zur Brunnenstraße ab 1965, seinen vorspringenden Konsolsteinen und einer einst älteren Brandwand-Substanz, und eben lokalgeschichtlich durch seine Nutzung von populären und bekannten Einzelhandelsfirmen wie Abele und Kleinhans.
Diese wirtschaftliche und stadtgeschichtliche Rolle im 20. Jahrhundert wurde an dieser Ecke für Einwohner und Touristen nicht nur deutlich wegen seiner sogenannter „Landmarken-Geschäfte“, sondern auch wegen einer auffälligen Tierfigur, einem werbenden „sitzenden Affen“, der Jahrzehnte für die Marke Mercedes am Kleinhans Eck nach einem „hoch die Nase“ die Aufmerksamkeit markierte.
Was nun macht das Haus historisch wirklich bedeutsam?

Es bewahrt handwerkliche und architektonische Merkmale, die auf mehrere Bauphasen verweisen, wie die Stadtkern-Forschung vor 60 Jahren baulich dokumentiert erkannte.
Nämlich mit einer ersten Phase im 14. Jahrhundert und einer zweiten im 17. Jahrhundert. Das Objekt wurde schließlich Teil der gewachsenen Handelsstruktur der Villinger Altstadt und prägte als Eckgeschäft über Jahrzehnte das städtische Einkaufsbild.
Große Zweifel und viele Fragen werfen indes der benannte Erker und dessen Wappen aus dem 16. Jahrhundert auf, weil es in der Neuzeit und seit dem Zeitpunkt des Neubaus Kleinhans Mitte der 6oer Jahre die Zuordnung zu einer bestimmten Patrizierfamilie überhaupt nicht belegt.
Denn weder in den 1920er Jahren war am Haus Abele zur Niederen Straße noch zum direkten Nachbarhaus Kleinhans in der vor deren Brunnenstraße ein Erker mit Wappen als auffällige Sonderheit zu sehen.
Als faktischer Stand, belegt durch das Stadtarchiv Villingen-Schwenningen, durch Bauakten und die Fotosammlung Schroff, gilt zweifelsfrei als gesichert: der Sandstein-Ecker, datiert mit 1553 als Jahresangabe in dessen Brüstung, gilt als vollständiger Erker mit Wappenrelief und Blattwerk.
Seine Position am heutigen Standort Brunnenstraße 5 hat jedoch dessen Einbau im Jahr 1965 bewirkt, als ein Neubau durch die Eigentümerin Elisabeth Schuler, geborene Kleinhans entstand und man ihr den Erker mit öffentlicher Förderung anbot.
Als durchaus gesichert gilt die Herkunft des Erkers, der aus einem älteren Bürgerhaus in der Oberen Straße stamme, das um 1958 abgebrochen wurde. Der Erker wurde vom Stadtbauamt geborgen und zunächst im Bauhof der Stadt Villingen eingelagert.
Dessen Wiedereinbau 1965 erfolgte auf Vorschlag des Staatlichen Denkmalamts Freiburg zur „Erhaltung einer ortstypischen Renaissance-Spolie im Altstadtbild“.
Die damalige Bauherrin und Eigentümerin Elisabeth Kleinhans, geborene Schuler, stand ihrem Architekten Karl Rombach nach erinnerungsstarker Schilderung eines Nachbarn wohl deutlich im Widerspruch zur oberen Denkmalbehörde, die sich mit der gewünschten Fassade in der noch heutigen (2025) Sandstein-Streifenoptik nicht anfreunden konnte und wollte.
So hat man schließlich dem Deal zugestimmt und den Einbau aus dem Bestand des Bauhofes genehmigt.
Beteiligt waren das einstige Stadtbauamt Villingen mit der Bauakte Nr. 1964/237.
die Bauaufsicht Villingen und die amtliche Aufsicht des Landesamt für Denkmalpflege Freiburg mit dem Referat Südwest von Doktor Kloos.
Man darf den Quellen trauen: die Bauakte Stadtbauamt Villingen, Az. 1964/237 enthält Genehmigung, Schriftwechsel mit dem Denkmalamt und Fotos des Einbaus; begleitet vom Schroff-Fotoarchiv, in dem ein Negativ VS 65/15 den Erker beim Wiedereinbau zeiht; und der Denkmalpflege Freiburg, Spolienkartei Villingen Nr. 21 – Vermerk „Erker von Obere Straße eingelagert, Wiedereinbau Brunnenstraße 5 (1965)“.
Mit klarem Schriftstück bestätigt sich auch:
Als die Niedere Straße 20 mit der Lgb. Nr. 368 und der damaligen Eigentümerin Schuler Elisabeth, geborene Kleinhans in den späteren 1960ern amtlich eingeordnet wurde, ergaben sich baugeschichtlich (Zitat)
der spätgotische Erker aus rotem Sandstein, datiert 1583 als 3-seitiger, polygonaler Erker mit verlaufendem 3-sei-tigem Fuß, über diesem Brüstungsprofil aus Platte, Kehle, steigendem Karnies und Platte.
In der Mitte die Jahreszahl 1583, dazwischen, halb freihängend, ein Wappen mit blauem Grund, darauf in Gold ein Vorhänge-Schloss (eher auch eine Gürteltasche, Anm.) und die Initialen MW.
Über dem Gesims in der Stirnseite ein Doppelfenster, in den Seiten je ein einfaches Fenster mit jeweils profilierten Gewänden und Schnecken-Voluten in den Anläufen.
Über den Fenstern ein mehrfach profiliertes Traufgesims und ein flaches, 3-seitiges Pyramidendach in Blech, an den vorderen beiden Ecken je ein Wasserspeier mit einfachen Rohren.
Im Innern seitlich des Erkers je eine Säule mit gedrehtem Schaft, in der Mitte gegensätzlich zusammenstoßend und an der Rückseite glatt, mit je einem Würfelkapitell, in der Stirnseite mit 6-blätriger Palmette und mit Basen als umgekehrten Würfelkapitellen.
Über den Säulen kräftig profilierte Kämpferplatten in Verbindung zur Außenwand. In der Stirnseite des Kämpfers der rechten Säule die Jahreszahl 1583. Der Erker wurde beim Neubau 1965 von einem älteren Bau übernommen und vor dem 1. OG des modernen Geschäftshauses an der Seitenwand zur Brunnenstraße nach Entwurf des Staatlichen Amtes für Denkmalschutz angebracht.
Dies alles festgestellt als Umstände, die den Bau oder den Bauteil als Kunstdenkmal kennzeichnen.
(Zitat Ende)
Und als verfügte amtliche Bestimmung zu Instandsetzung und Umbauten galt:
1966 Wiederherstellung des historischen Erkers aus dem 16. Jh., dessen Ausbau während des Abbruches und Wiedereinbau in den Neubau bei einem Zuschuss der Denkmalpflege von 7.000, – D-Mark erfolgte.
Der Erker wurde folglich beim Neubau 1965 übernommen und vor dem 1. OG des damals zeit-modernen Geschäftshauses an der Seitenwand zur Brunnenstraße nach Entwurf des Staatlichen Amtes für Denkmalschutz angebracht.
Damit steht mit hoher Wahrscheinlichkeit fest: Der „fremde“ Erker stammt aus einem Haus der Oberen Straße, wurde nach dessen Abbruch 1958 vom Bauhof gesichert und 1965 bei Kleinhans an der Ecke Brunnenstraße/Niedere Straße wiederverwendet.
Noch ist spannend, welches Gesicht sich die Santander-Bank geben wird.
Hallo Herr Bräun,
vielen Dank für die Hinweise!
Die Transferierung des Erkers ist interessant, da ich auf neueren Aufnahmen des Gebäudes
(2012 – 2023) gar keinen Erker am Gebäude Brunnengasse 5 erkennen konnte. In der Anlage übersende ich Ihnen z. K. einige Zeitungsartikel aus dem Jahre 1984 zur Sanierung bzw. Umbau des Gebäudes.
In unseren Archivbeständen konnte ich jedenfalls keine Hinweise auf die Verlegung des Erkers auffinden, doch Sie wiesen ja bereits auf die einschlägige Bauakte mit weiterführenden Informationen hin, die sich noch gar nicht in unserem Archivbestand befinden kann.
Ich habe zwei Mappen im Fotonachlass von Herbert Schroff gefunden, in denen Aufnahmen von Erkern in der Oberen Straße nachgewiesen sind (Signaturen: Best. 1.42.91 Nr. 623 und 630). Es handelt sich aber offenbar um Abbildungen der Fassade der Obsthandlung Wöhrle, keinesfalls aber um eine Aufnahme des Abbruchs oder Abrisses des Erkers. Unter den Suchbegriffen „Abriss“ und „Abbruch“ konnte ich im Fotobestand von Herbert Schroff überhaupt keine Bilder finden, die den Abriss eines Erkers zeigen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Teubert