Bier in Villingen (III)

Scharrwächter, der ‚wilde Mann‘ und das Camera-Kino  

„Besser den Magen verrenkt als dem Wirt was geschenkt!“ – Mit solch einer Einstellung zum Gastrecht in Wirtshäusern des vor-vorigen Jahrhunderts verwundert es nicht, dass es auch häufig Anlass zu Klagen gab. So ist Wirtshaushändel auch um 1700 protokolliert, weil zuvor gesoffen, gespielt, geflucht und sakramentiert wurde oder mancherlei Liederlicheit  geschah, was schließlich des nachts zu Geschrei und Gegröhl auf den Straßen führte, wobei auch die Nachtwächter beschimpft oder gar tätlich angegriffen wurde. 

Im „Löwen“ mit seinem Schild des roten Löwen, dem im schweizerischen Murten nachempfunden, war einst im Saal auch Platz für Bälle, Hochzeiten und Kindstaufen.

 So lag es nahe, dass der Magistrat schon damals „Sperrstunden“ verordnete: statt bis 10, 11 oder 12 Uhr in der Nacht durfte nur noch bis 9 Uhr Wein ausgeschenkt werden. Wer dagegen verstieß, wurde von sogenannten ‚Scharrwächtern‘ angezeigt.

Mitte des 18. Jahrunderts wurde ein anders Verbot nötig, denn die Branntwein-Schänken boten Sitzplätze und Zehrung an und ließen nachts Skat spielen, was „zur Ruinierung der Jugend führen würde“.

Um die Polizeigüter ‚Ruhe, Sicherheit, Ordnung und Gesundheit‘ zu gewährleisten, war man auch restriktiv bei den Konzessionen. Einem Jakob Blessing an der Vöhrenbacherstraße (nahe der Jungviehweide) wurde das Schankrecht verweigert, da die Herberge im Wald liege. Mit dem Vorwand, dort nur Bier zu trinken, würde sich dort wohl eher alles ‚Lumpengesindel‘ aufhalten und versammeln (1788).

Barbier-Kunst. Da die Zahl der Villinger Brauer und Wirte auch im 18. Jahrhundert als zu hoch galten, suchten einige von ihnen nach zusätzlichen Einnahmen. So auch der „Raben“-Wirt (1735), der in seiner Wirtschaft auch die Barbier-Kunst ausüben wollte. Doch die Wirtskollegen erhoben Einspruch, da keiner von ihnen „zwei-zünftig“ sein sollte und zweierlei Gewerbe nicht statthaft sei.

Die Obere Straße, wo man bis heute im „Löwen (Mitte rechts) und im Raben wirtet und wo einst der „Pfauen“, der „Hecht“ und der „Wilde Mann“ (2. Haus vorne rechts) Schankrecht hatten.

Stallungsrecht. „Raben, Löwen und Bären“ sind aus jener Zeit die einzigen Wirtshausnamen, die bis in die Neuzeit ihren Bestand wahren konnten, denn allzu oft verstarben Wirte noch jung an Jahren, worauf ohne deren Nachkommen die Konzession für das Haus verloren ging.

So wollte auch der „Raben“-Wirt gar nur noch Zapfenwirt statt Schilderwirt sein, worauf er für die Gäste aus dem bäuerlichen Umland auch das Stallungsrecht für die Pferde verlor. Doch in der Oberen Straße bestimmten noch andere Stuben, Wirtshäuser und und Gasthöfe das wechselvolle ‚Wirtschaftsleben‘ im alten Villingen.

 

Wilder Mann. Da war zum einen „der wilde Mann“, erstmals  erwähnt 1563, wo dereinst 80 Pferde untergestellt werden konnten. Zu den vielerorts erzählten Legenden um „wilde Männer“ gehörte auch eine, die 1540 auf Sebastian Münster zurückgeht: „Einst lebte im VillingerGermanswald ein ganz wilder und viehischer Mann, der sommers wie winters nackt lief, sich von Gras und Wurzeln ernährte, zwischem dem Wild auf Tannenreis schlief und statt aus Brunnen aus Mistlachen trank, der die Menschen scheute wie ein wildes Tier und der schließlich an der Pest starb…“. Einen „Fünfer“ musste geben, wer 1566 in der Tanzlaube des „Wilden Mann“ eine Kalbin mit sechs Beinen sehen wollte.

Stand für Hopfen und Malz: der Gambrinus in der Josefsgasse. Wurde jedoch in 2023 übermalt…

1904 brennt das Ökonomie-Nebengebäude  zur Hans-Kraut-Gasse ab, wo nach dem Wideraufdbau später die Camera-Lichtspiele eingerichtet wurden, wo auch der Villinger Fritz Keller, Jahrgang 1910, als junger ‚Operateur‘ die Stummfilme laufen ließ.

Bis 1968 betrieben Lotte und Josef  Kupferschmitt das Gasthaus, bis schließlich der Möbelhändle Oberle Eigentümer wurde. Das Wirsthausschild – knapp 300 Jahre alt – wurde in einer Rettungsaktion ins sichere Quartier der städtischen Sammlungen verfrachtet.

Thurn und Taxis.  Mit Fracht,- Kurier- und Postdienst hatte ein anderes großes Haus in der Oberen Straße bis 1883 zu tun: das Gasthaus „Sonne-Post“, heute noch Sitz der städtischen Finanzverwaltung, war jahrzehntelang Stallmeisterei der Kurier-Linien im Postbetrieb derer von Thurn und Taxis. Zugekauft hatte Sonnen-Wirt Cammerer das angrenzende Wirtshaus „Schwert“ (1738; später in der oberen Färberstraße), worauf bs 1883 die Sonne zu den ersten Adressen in Villingen gehört: Speisesaal, Tanzsaal, Stallungen für 40 Pferde, Wirtschafts- und Gemüsekeller.

So sollen sich auch die „besseren Bürgersöhne und -töchter“ dort im oberen Geschoss zum Stelldichein getroffen haben.

Hecht und Löwen. 1921 wurde die Stadt neue Eigentümerin des markanten Hauses „Sonne“ mit seinem markanten Türmchen und dessen buntglänzenden Ziegeln. Hochherrschafliche Gäste waren in der Oberen Straße aber auch an anderer Stelle willkommen.

Während die Wirtsleute im „Hecht“ mehrfach mit hohen Militärs zu tun hatten, war der „Löwen“ schon zu Ur-Zeiten der Treffpunkt für die Landwirte, die auf dem Markt ihre Geschäfte machten. Und im Löwen-Saal war Platz für die Villinger bei Bällen, Hochzeiten und Kindstaufen. Das noch heute aktuelle Wirtshausschild am Löwen geht zurück auf eine Nachbildung des roten Löwen, der im schweizerischen Murten das dortige zähringische Wappen ziert.

Schließlich präsentiert sich bis heute grad gegenüber die Fassade des ehemaligen „Pfauen“ mit markanter Malerei, wobei das zuletzt als Penson-Garni geführte Haus seinen Namen vom alten „Pfauen“ übernahm, der im vor-vorigen Jahrhundert für kurze Zeit in der Rietstraße geführt wurde.

 

 

 

2 Gedanken zu „Bier in Villingen (III)“

  1. Au, weia, ich glaube,
    dass ich gestern in meinem Kommentar Gerberstraße geschrieben habe.
    Meinte aber die Färberstraße.
    Bitte korrigieren.

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  2. Sehr interessant.
    Super recherchiert, diese Beiträge über die Villinger Gastro-Szene von früher.
    Das bringt mich auf die Idee, dass es damals nicht anders war, als heute in der Gerberstraße.
    Vielleicht lagen damals nicht so viele Glasscherben auf der Straße,
    da Glas kostbar war und zudem aus dem Fass ausgeschenkt wurde.
    Erinnern möchte ich an das Schlössle Ende der 60-er Jahre.
    Da haben auch manche zuviel Durscht gehabt.
    Gruß aus Rheinfelden

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