Binder-Magnete – Ein Patent jagte das andere

Wirtschaftswandel – Von Betrieben, Inhabern und den Belegschaften / Teil 14 – Blick in die 60er Boomjahre in Villingen – Firmen-Serie im Schwarzwälder Bote 2020

Vom Stanzwerkzeug zu Magnet-SpannPlatten – Stadt opferte Binder den Stadtgarten

Mit den Aufbaujahren nach 1945 wurden einige der alten und auch neuen Firmen zu den stadtbekannten vor Ort und in der Region. Sie boten Arbeitsplätze, ihre Waren und ihre Dienste an, sie wechselten ihren Laden oder änderten den  Produktionsstandort. Es wechselten die Inhaber, man bewarb die Firma und ihre Produkte, nutzte den Ausverkauf und liquidierte freiwillig oder geriet in den bedingten Konkurs. Andere wahrten ihren Bestand bis heute.

In einem roten, hochwertigen Buch-Kollektiv stellten sich Firmeninhaber 1964/65 vor, benannten ihre Leistung und ihre Belegschaft mit knapper „public relation“, selbst finanziert, knapp und präzise.

Villingens einstiger OB Severin Kern benannte das Werk als „Kultur-und Wirtschaftschronik“ der Boom-Jahre und als „Urkunde und Kunstwerk“. Ein „Goldenes Buch“, editiert vom Bühn-Verlag in München, mit historischem Blick auf 1000 Jahre Stadtgeschichte durch den Historiker Paul Revellio (1886 – 1966), mit Portraits einzelner Inhaber, mit Villinger Motiven und mit ehemaligen Betriebsgebäuden, gezeichnet von Gyorgy Jancovics aus München.

Heute: Binder-Magnete

Als Wilhelm Binder als junger Mechanikermeister 1911 seine eigene Werkstatt gründete, fertigte er zunächst Stanzwerkzeuge für die regionale Uhrenindustrie. Sein Ehrgeiz war es, Präzisionsbauteile von höchster Qualität zu produzieren.

Mit einem Startkapital von 8500 Mark für Maschinen und Werkzeuge fand er zunächst in Rudolf Moog einen Geschäftspartner, der er jedoch 1913 bereits auszahlte und er in größere Räume umzog.

Mühevoll war für Binder die Kriegszeit bis 1918, während er seinen Stellungsbefehl erhielt und seine Frau die  Ursula die Geschäfte führte. Doch ab 1918 bewiese Binder erneut, dass er ein findiger und ideenreicher Fabrikant war, der bald auch sein erstes Patent anmeldete, denn Binder ist fasziniert von der elektro-magnetischen Induktion, deren Prinzipien er mit der Präzision seines Unternehmens kombinierte und die Elektro-Magnetik zu Schwerpunkt wurde: es entstand so das erste Binder-Elektro-Magnet-Aufspanngerät.

Die Fachwelt war überzeugt und die Märkte wurden erobert. Die Zahl der Patente wurde größer, das Unternehmen wächst und hat 1935 bereits 400 Mitarbeiter. Bereits 1939 nutzte man zwei Teilwerke und wurde Pionier bei Hubmagneten.

Ein Jahr zuvor war Wilhelm Binder Junior in die Firma eingetreten, dem es gelang „einen revolutionären Magneten für die Flugzeug-Hydraulik“ zu entwickeln.

Die Kriegsschäden bis 1945 blieben zwar aus, doch die französischen Besatzer demontierten 80 Prozent der Maschinen. Rastlos war man darin, ab 1948 die den Umfang der einstigen Ausstattung wieder zu beschaffen.

Bereits 1951 wurde ein neues Betriebsgebäude erstellt und für Binder Senior erfüllte sich dessen Wunsch, sich auf der Hannover Messe zu präsentieren. Gezeigt wurden Permanent-Magnet-Spann-Platten, Schwungantriebe, Federdruckbremsen

Schalt- und Steuergeräte. Es mag mit am Messe-Stress gelegen haben, dass Binder am letzten Tag der Ausstellung einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Wilhelm Junior übernahm die Firma als Komplementär und Liny Binder und Anna Stockburger wurden in der KG zu Kommanditistinnen.

Das Binder-Areal, dass sich vom  einstigen Wohnhaus am Benediktinerring entlang des einstigen Stadtgartens entwickelte, wird mit dem Kauf der einstigen Sparkasse an der Mönchweilerstraße als Verwaltungsgebäude erweitert.

Was zu Beginn der 1960er Jahre zu erheblicher Kritik führte, war der stets und bis heute kolportierte Deal, den Stadtgarten kaufen zu wollen oder aber nach Mönchweiler zu siedeln. Der Stadtgarten wurde nach 1964 geschleift. Binder wurde noch größer. Der Stadtgarten war und blieb „perdü“.

1997 wurde die spätere Binder-Gruppe von der niederländischen „Schuttersveld N.V“ übernommen, die seit 2001 als Kendrion firmiert, mit Anschluss dort, wo die einstige Forsthausstraße als Ehrung zur Wilhelm-Binder-Straße wurde. Wilhelm Binder verstarb 2003.

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