Die Junghans-Villa am Warenbach?

Statt Edel-Restaurant, Schönheitsklinik, Konzernzentrale oder Senioren-Super-Residenz – ein Kindergarten!

Tagtäglich fällt es den Spaziergängern, den Radlern und den Joggern und vielen Hundehaltern aufs Neue auf: das kleine Villinger ‚Märchenschlösschen‘, die ehemalige Junghans-Villa, die zu allen Jahreszeiten ihren architektonischen Reiz ausstrahlt.

Stand sie doch mehrere Jahre im vorderen Warenbachtal am Roggenbachweg ziemlich verlassen da, den viele den Warenbachweg nennen, und hat doch längst schon zum weiteren mal einen neuen Eigentümer, den Architekt Jo Müller.

Über die vergangenen Monate kam nun die Entscheidung und die Realisation samt neuem Spielplatz:

die Junghans-Villa wird für vier Gruppen zum Kindergarten.

Ernst Haiger (1874 – 1952)

Fabrikanten Siegfried Junghans ließ sich 1924 dieses herrschaftliche Haus erbauen, für das der Münchner Architekt Ernst Haiger (1874 – 1952) die Pläne fertigte und die begleitende Bauleitung beim Villinger Architekturbüro Nägele und Weis lag.

Die Nutzung des einstigen Prachtbaus war inzwischen vielfältig:

nach den Wohn- und Repräsentationszwecken, die der Bauherr bis 1939 ganz privat nutzte, kaufte die Stadt Villingen den Herrschaftssitz, um darin ein Kinderkrankenhaus einzurichten, zu dem nach dem Krieg weitere Barackenbauten für die Kinderheilkunde genutzt wurden.

Danach war bis 1988 die Carl-Orff-Schule für geistig Behinderte am Roggenbachweg untergebracht, wo auch Sommerfeste zu deren Gunsten abliefen.

Als das Mikroinstitut Anfang der 90-er Jahre neuer gewerblicher Eigentümer und Nutzer werden sollte, kam es zu erheblichem Protest wegen der geplanten baulichen Erweiterung, was schließlich am populären Widerstand der Bevölkerung und an den Aktivisten der noch jungen Grünen der damaligen Bürgerinitiative „Rettet das Warenbachtal“ scheiterte.

Durch die Vermittlung der städtischen Wirtschaftsförderung wurde die Villa 1995 für knapp viereinhalb Millionen Euro an die High-Tech-Schmiede Xsys verkauft, die 1998 im Firmen-Konsortium Harman Becker aufging. Schließlich war trotz modernem Anbau, der die ursprüngliche Architektur doch eher deutlich trübte, ab 2011 auch für das junge Unternehmen XS Embedded die Nutzflächen zu gering, weshalb man in den örtlichen Innovationspark umzog.

Im April 2014 wurde erstmals publik, dass eine Großneffe und ‚Namensvetter‘ des einstigen Architekten  Interesse an dem Prachtbau habe: Ernst Haiger junior. Doch kaufen wollte dieser die Villinger Junghans-Villa auch nicht. Viel eher wandelte und recherchierte er auf den „baulichen Spuren“ seines Großonkels. Der Historiker aus Berlin war zu jener Zeit freiberuflich tätig und wolle mit einem Architektur-Historiker ein Buch über seinen Großonkel schreiben, den bekannten Architekten aus München .

Haiger stieß bei seinen Recherchen dann eben auch auf die Junghans-Villa in Villingen, deren Pläne des Großonkels ihm erst mit der Zeit bekannt wurden.

Neben der Junghans-Villa gilt die Liste der Bauwerke Haigers lang: Mehrfamilienhäuser in Schwabing, repräsentative Bauten  wie die Villa de Osa in Berg bei Starnberg aus dem Jahr 1909, bei der Ähnlichkeit mit der späteren Junghans-Villa zu erkennen seien.

In seiner Lebenserinnerung sei Haigers Großonkel streng mit sich selbst und mit einigen seiner Bauten gewesen, denn er schrieb über die Junghans-Villa:

„Ein größeres Wohnhaus in Villingen beschäftigte mich. Es war der Auftrag eines Fabrikanten. Leider war der Baugrund sumpfig, was dazu zwang, tiefe Fundamente zu setzen und mit Erdreich zu füllen.“

Ging man auch damals zunächst auf seine baulichen Absichten ein, wobei man die große Terrasse nach Westen mit Beifall aufnahm, kam es wohl dennoch zu juristischen Auseinandersetzungen, die Haiger jedoch für sich buchen konnte.

In seinen Erinnerungen hoffte Haiger, dass das Haus den Krieg hoffentlich überstanden habe, denn es schien ihm wohlgelungen.

Was aus heutiger Sicht wohl eine  Randbemerkung bleibt, die auch Haiger jun. nicht kennt:

die vier Putten auf der Balustrade des großen Balkons zur Westseite des Hauses, die Frühling, Sommer, Herbst und Winter darstellen,

hatten wohl nach dem Kauf der Villa durch die Stadt ab Ende der 30er Jahre ihren Platz auf eigenen Sockeln entlang des Weges zum Villinger Kurpark gefunden.

Doch wie das so ist im Laufe einer Baugeschichte: Baupläne zeigen stets, was einst gegolten hat. Und so haben wohl die Eigentümer der Neuzeit die vier steingrauen, liebenswert dreinschauenden Puten an deren Stammplatz zurückgefordert.

Ein Tegernsee-Krimi

In der bekanntsten Villa in Berg am Tegernsee, der Villa de Osa, die Augusta de Osa, eine gebürtige Hanseatin, nach dem Tod ihres Mannes, dem kolumbianischen Botschafters Norberta de Osa in Paris, 1909 für sich errichten ließ (heute Schön-Klinik), gab es auch die größte Tragödie der Gegend: Die Familie des Erben Fritz de Osa wurde in der Nacht zum 11.9.1951 von ihrem Hausmeister, der sich unstandesgemäß in die Tochter verliebt hatte, ermordet. Dann legte der Mörder selbst Hand an sich…

Übrigens…

Der Freistaat Bayern subventionierte nach Spiegel online die Wandlung der Villa in eine Klein-Klinik mit über 30 Millionen Mark – dem Vielfachen des Kaufpreises. Der Freistaat soll dem Gründer der Klinik in der einst neoklassizistischen Villa mit Seeblick teure medizinische Großgeräte wie einen Ganzkörper-Computer-Tomographen bezahlt haben. Eine Subvention, bei der man vermutet, dass dort hohe Beamte und Politiker als Patienten behandelt wurden – allen voran der ehemalige bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß nebst familiärem Anhang.

 

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