Grenadiere von 1810 – Warum sie eigentlich zum Neujahr schießen

Überstandene Belagerung im Januar 1633  – Not und Elend 1633 –  Plündern und brandschatzen in Schwenningen am 23. Januar 1633

 

Villingens wichtige Wehrbauten Anfangs des 17. Jahrhunderts: gegen die Feuerkraft der Angreifer waren die Verteidiger jedoch nicht auf dem besten Stand.

„Bis gestern, den  22. Januar, war die Stadt einem starken Beschuss ausgesetzt. Über 500 Kugeln wurden aus den feindlichen Artilleriestellungen auf die Stadt abgefeuert!“ Der dies zeitgenössisch festhielt, war Theoger Gästlin, der auch zwei Woche unter dem 7. Januar 1633 festhielt, dass der ganze Magistrat samt dem Pfarrherrn und den „p.p. Franciscanis“ zum Herrn Oberst-Lieutnant Johann Werner Äscher von Büningen in sein Logement gingen und haben „ihn gebethen, er wolle sie nicht in das äußerste  Verderben setzen.“

Äscher, Burgvogt von Breisach, war im November 1632 auf Order der vorder-österreichischen Regierung als Kommandant mit 520 Mann nach Villingen gezogen, wo er es kraft seiner überzeugenden Persönlichkeit verstand, den Verteidigungswillen und die Zuversicht der Villinger zu stärken. Zugleich schaffte er es, alle Maßnahmen zu treffen, um der ersten Belagerung im Januar 1633 gewachsen zu sein.

Der 30-jährige Krieg, der 1618 aus religiösen und politischen Gegensätzen mit dem Aufstand der böhmischen Protestanten gegen den Kaiser begonnen hatte, rief auch die Schweden und die Franzosen auf den Plan, die sich wegen der erfolgreichen kaiserlichen Heere vor einem übergewichtigen Habsburg zu fürchten hatten.

Wenn am 1. Januar die Historischen Grenadiere von 1810 bislang und regelmäßig seit 1967 zum Neujahrsschießen auf dem vorderen Hubenloch antraten und sich dabei am frühen Morgen auch 100 bis 200 Frühaufsteher oder Silvesterzecher am Zeremoniell erfreuten, dann hatte dies und wird dies auch 2022 wieder damit zu tun haben, dass man sich eben 1967 entschloss, einen früheren Brauch aus dem 17. Jahrhundert wieder aufzunehmen. Und zwar den, dass seinerzeit die ledigen Bürgersöhne Villingens zum Gedenken an die  tapfer überstandene Winterbelagerung 1633 am 1. Jänner zur achten Stunde  12 Salutschüsse abfeuerten, die jeweils für einen Monat im Jahr stehen.

Das „damals“ hielt in seiner Chronik der Franziskaner-Pater Ungelehrt fest,

„dass die Statt an ihr selbst nit groß ist. Hat ungefähr 676 Häuser, 102 Scheuern und 28 Gärtlin. Ringsweis herum 2585 Schritt, ist ganz in die Ovalfigur gebauen, dass man vom Marktbronnen wegen der Grede der Gassen zu allen vier Thoren aussehen kann. Liegt ansonsten in einem Lande, da außer Thannenzapfen, Schlehen und Hagenbutzen wenig Obst wächst, aber ein gutes Korn.“

 

Doch erst 1630 waren die Schweden bis in den Süden vorgezogen, wobei es auch zu einem Bündnis mit den Franzosen kam, dem 1631 auch Württemberg beitrat.

Für die „Schwaben“ eine gute Gelegenheit, sich verstärkt gegen den habsburgisch-österreichischen Druck auf ihr Territorium zu wehren. Am besten erschien es, Rottweil und Villingen einzunehmen, was man 1632  durch unstrittige Übergabe einforderte.

 

Für die Villinger stellte sich die Frage, ob sie „akkordieren“ oder beim  Hause Österreich verharren wollten.

Denn  Rottweil war bereits eingenommen worden, was sich eher lähmend auf den erforderlichen Widerstandswillen der Villinger Verteidiger ausgewirkt hatte.

Doch Äscher beschwichtigte und überzeugte die Zauderer, dass man sich des Feinds erwehre. General Horn zog zwar mit seinen schwedischen Heerscharen ab, doch Oberst Rau führte die württembergischen Truppen und geschätzte 2000 Man von Osten her gegen die Stadt.

Das nutzten die Belagerten, ihre Abwehr massiv auch dort einzurichten, wo sie ansonsten doch eher vom Hubenloch her gefährdet waren. Hinzu kamen Kälte und Nässe sowie zunehmende Desertion auf Seiten der Württemberger, dass Rau schließlich die Belagerung aufhob und  abzog.

 

Die Schäden am Bickentor hatten gezeigt, dass die Villinger mit ihren materiell und technisch überkommenen Festungsanlagen beim Einsatz schwerer Feuerwaffen stark gefährdet waren: zwei Rundelle, das Vortor und das Bickenkloster waren stark zertrümmert worden.

Die erste Belagerung 1633 war somit abgebrochen, doch begann für die Stadt der Kampf um Proviant und Futtermittel für Mensch und Tier.

Cover des Romans „Das Ratzennest“ von H. A. Neugart, gezeichnet von Eugen Gross

Man scheute sich nicht, mit bewaffneter Hand, Nahrungsmittel, Vieh und jegliches brauchbare Material aus den umliegenden Dörfern zu rauben, was auch die abziehenden Württemberger so gehalten hatten. Raub, Plünderung und Brand führten dazu, dass „der Krieg den Krieg ernährte“.

Täglich wurden sogenannte Ausfälle geritten, um die Ernährung zu sichern. Bei den Streifzügen wurde auch Schwenningen nicht ausgenommen. Nachdem erst die Württemberger raub- und brandschatzend durchgezogen waren, wurde Schwenningen von den Villingern gleich zweimal, am 21. und 23. Januar, 1633 überfallen, geplündert und in Brand gesteckt. Erst im Mai verließ Äscher die Stadt, der an seinen Offizier Hauptman Stärklin das Kommando abgab.

Schon Ende Juni 1633 stand den Villingern die zweite Belagerung durch Oberst Rau und dessen Herrn Eberhard von Württemberg bevor.

 

 

 

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