‚Jägerhaus‘ mit Freiluft-Kegelbahn für italienische Bauarbeiter

Das  einstige „Jägerhaus“ bleibt den Villingern in Erinnerung

Es ist wenigstens 30 Jahre her (seit 2020), als einzelne Anwohner der Kalkofenstraße beantragten, man möge auch dort und nicht nur in der sonstigen Südstadt mit verkehrlicher Anordnung Tempo 30 gebieten. Damals, als der Innenring rund um die Stadtmauern zur Einbahnstraße und die Ausfallstraßen stark frequentiert wurden.

Heute hat man sich – nolens volens – an das Verkehrsaufkommen gewöhnt, auch wenn es in westliche  Richtung nicht mehr zum Krankenhaus geht.

Aber immer noch vorbei am ehemaligen „Jägerhaus“, das einst als Sommer-Wirtschaft „Zum Kalkofen“ betrieben wurde.

Der Name ‚Kalkofen‘ weist auf eine Kalk-Brennerei hin, die schon in Urkunden des 15. und 16. Jahrhunderts verzeichnet ist.

Und auch Heinrich Hug hat diesen „Kalchofen“ in seiner Villinger Chronik mehrfach benannt.

In der Zeit des Bauernkriegs um 1525, als Villingen vom Ansturm „aufrührerischer Bauern“ bedroht war, sahen sich die Bürger veranlasst, die Wehranlagen der Stadt zu verstärken. Hug schreibt dazu:

[…] …brach man das werkhus vorm Obern thor (ab), des glichen die Kalckhütten und all bom umb die Statt.[…]

Anhand von größeren Mengen Kalkstücken in diesem Gewann ‚Kalkofen‘ ist zu vermuten, dass die Hütte auf dem Platz der früheren Zimmerei Ettwein stand.

Einige Zeitungszeilen aus dem Jahre 1848 machen deutlich, dass dort eine Ziegelhütte stand und dass der Ziegelmeister Konrad André mit dessen Sohn und Nachfolger Johann im Revolutionsjahr 1848 flüchten musste. Doch auch nach deren Rückkehr wurde der alte Betrieb nicht wieder aufgenommen-Stattdessen richtete man eine neue Ziegelei bei der Gießerei von Christian Maier ein.

Meterdicke Mauern fürs Bier auf Eis

Auffällig am „alten Jägerhaus“, am südlichen Abhang zum Hubenloch, ist noch immer ein großes Kellertor. Eines, das wie andere rings um die Stadt zu den Bierkellern führte.

Hier wurde das ‚Winterbier‘ auf wahrlich winterlich produziertem Eis gelagert – die Tonnen-Gewölbe meterdick, oft zweistöckig und bis zu 60 Quadratmeter groß. In den gefahrvollen Zeiten des II. Weltkriegs war auch der Jägerhaus-Keller der ideale Luftschutzbunker und zugleich Zentrale für Partei und Behörden.

Der Bau des Jägerhaus-Kellers dürfte um 1734 datieren, wie Hermann Alexander Neugart damit erwähnt, dass sich der frühere Eigentümer Ernst Zschoche an einen Schluss-Stein mit dieser Jahreszahl erinnert habe.

August Bebel als Redner am „Bügeleisen“

Über dem Bierkeller am ‚Kalchofen‘ erbaute der erste Wirt seine Sommer-Wirtschaft mit eben dem Namen: „Zum Kalkofen“. Und hier hatten einst – so die Historie – die „Sozis“ des vor-vorigen Jahrhunderts ihr Stammlokal.

Von hier aus soll auch der Sozialistenführer und Mitbegründer der SPD August Bebel in der Zeit der damaligen bismarckschen Sozialistengesetze zum nahen „Bügeleisen“ (heute Platz des Romäus-Gymnasiums) gezogen sein, wo er vor einer großen Versammlung sprach, die von zahlreichen Gendarmen bewacht wurde.

Ein weiterer Eigentümer der Wirtschaft war Brauereibesitzer August Ummenhofer. Nach dessen Tod sah sich seine Witwe gezwungen, die Wirtschaft an das Baugeschäft Kurz & Gaiser zu verkaufen. Deren Inhaber beschäftigten schon damals mehrere italienische „Erd- und Bauarbeiter“, für die im Jägerhaus eine ‚Freiluft-Kegelbahn‘ eingerichtet wurde. Doch vor deren Freiluft-Freizeit bauten sie mehrere Neubauten um den Kalkofen.

Für die Zeit vor 1925 werden für die Sommerwirtschaft „Kalkofen“ noch zwei Wirte erwähnt: Bildhauer Zimmermann und Gipsermeister Weinmann – wer von den beiden den Namen in „Restauration Jägerhaus“ wandelte, bleibt jedoch unbekannt.

Zweifelsfrei klar ist, dass Ernst Zschoche 1925 das Anwesen kaufte, weil er sich mit der Bärenbrauerei in Schwenningen auf die Einrichtung einer Bierniederlassung einließ. Kellerfront und Terrasse wurden geschaffen, wie sie der Gast auch heute noch beim „Jägerhaus“ kennt.

Zschoches langjähriger Getränkemarkt wurde inzwischen zu Gefako mit Zschoche jun., und wie von vielen Villingern bedauert, gab das letzte Jägerhaus-Pächter-Paar Albert und Gisela Ketterer auf, worauf  das „Jägerhaus“ einen spanischen Namen bekam…

 

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