SABA-Enkelin „verklärt“ Historie und provoziert Leserbrief

SABA-Mutti Gretel Scherb nach 1945 : „geschmeidig und tricky“ ?

SK-Artikel fordert Leserbrief von NS-Forscher Heitner heraus

SK VL vom 13.9.2019 – Kathrin Brunner-Schwer erinnert an MPS und Saba-Zeit

 von Gunter Faigle

Offene Worte zu schweren Zeiten in Villingen und das Bekenntnis zu ihrer Heldin

Das Festival „Jazzin‘ the Black Forest“ hat gestern Abend […] einen kurzweiligen und interessanten Auftakt erlebt. Zu Gast war Kathrin Brunner-Schwer (63), Enkelin der „SABA-Mutter“ Margarete Scherb und älteste Tochter des ehemaligen SABA-Chefs Hermann Brunner-Schwer.

Dessen Bruder Hans Georg Brunner-Schwer hat in den 1960er und 1970er Jahren im heute unter Denkmalschutz stehenden MPS-Studio Jazz-Schallplatten produziert, die noch heute einen legendären Ruf besitzen. Kathrin Brunner-Schwer hat ihre ganz eigenen Erinnerungen an diese Zeit.

„Ich bin auf dem Schoß von Oscar Peterson aufgewachsen.“ Kathrin Brunner-Schwer erinnert sich gern an die Besuche des großen Jazzpianisten in Villingen, der ihr als Mädchen wie ein schwarzer Hüne vorkam, den sie aber als außerordentlich liebenswürdigen Menschen erlebt hat.

[…]

Ausführlich und mit kritisch abwägender Nachsicht spricht sie über ihre 1983 verstorbene Großmutter Margarete Scherb. „Sie ist mein Held!“ Warum, möchte Norbert Trippl wissen.

„Sie bestand nur aus Herz!“ Und im Zweiten Weltkrieg habe sie als quasi alleinerziehende Mutter und zudem SABA-Chefin nicht nur Mut, Kraft, Standfestigkeit und taktisches Vermögen bewiesen, sondern dabei auch nie die sozialen Aspekte ihren Mitarbeitern gegenüber aus den Augen verloren.

Dass sie Mitglied der NSDAP gewesen sei, habe sich von selbst verstanden, durch die Entnazifizierungsverfahren nach 1945 sei sie geschmeidig und „tricky“ durchgekommen.

Ganz frisch hat Kathrin Brunner-Schwer dem Stadtarchiv Villingen-Schwenningen zwei wertvolle Konvolute aus Familienbesitz übergeben, die aus dem Blickwinkel von Margarete Scherb insbesondere die für SABA schwierigen Jahre von 1938 bis 1945 beleuchten. Enkelin Kathrin hofft, dass sie sachkundig bearbeitet und öffentlich nutzbar gemacht werden. (Ausriss SK-Ende)

Dazu der Leserbrief von Wolfgang Heitner OStR a.D. Villingen

zu „Erinnerungen an die große MPS-Zeit“ – SK Villingen, Freitag, 13.9.2019

Ich finde es begrüßenswert, dass Kathrin Brunner-Schwer wenigstens andeutungsweise über die Einstellung ihrer Großmutter Margarete Scherb („SABA-Mutter“) zum Nationalsozialismus spricht. Der eine oder andere Aspekt lässt sich jedoch etwas genauer darstellen.

Es war beispielsweise nicht nur die bloße Mitgliedschaft Margarete Scherbs in der NSDAP, die „sich von selbst verstanden habe“ (so Kathrin Brunner-Schwer), sondern es war eine grundsätzliche Übereinstimmung mit den Zielen des Nationalsozialismus verbunden mit einer großen Verehrung Adolf Hitlers. Ihr Ehemann Ernst Scherb trat schon 1930 in die Partei ein, war als überzeugter Nationalsozialist u.a. aktiv im örtlichen NS-Kraftfahrcorps im Range eines Oberstaffelführers tätig. Das Verschwinden der Villinger Juden, der Arisierung ihrer Geschäfte und dem brutalen Umgang mit sogenannten „Systemgegnern“ änderte nichts an der Einstellung der Familie Scherb zum NS-System (nachzulesen im SABA-Buch von Hermann Brunner-Schwer).

„Geschmeidig“ und „tricky“ sei ihre Großmutter durch das Entnazifizierungsverfahren nach 1945 gekommen.

Ja, „geschmeidig“ hat sich das Unternehmen und die Fabrikantenfamilie sowohl an das NS-System als auch an die örtlichen Parteigrößen angepasst. Wirtschaftlich bergauf ging es durch die Massenproduktion des „Volksempfängers“ und durch Rüstungsgüter während des Krieges. Persönlich wurde z.B. der Kontakt zum Villinger Bürgermeister und Kreisleiter der NSDAP Hermann Schneider gesucht, der die Gedenkrede beim Tod Hermanns Schwers 1936 hielt. Schneiders Familie, er war in der Zwischenzeit zum Kreisleiter Mannheims aufgestiegen, fand seit 1944 Unterschlupf im SABA-Erholungsheim in Meersburg und sie wohnte dort bis zu ihrer Übersiedelung nach Villingen 1952.

„Tricky“ durchgekommen: Bezieht sich wohl auch auf den Umstand, dass die endgültige Entnazifizierungsakte von Margarete Scherb nicht mehr auffindbar ist – weder in deutschen noch in französischen Archiven. Belegt ist das Urteil aus dem Verfahren der politischen Säuberung 1947. Es lautet u.a.: „Einzug von 50% des gesamten Vermögens, Verbot auf 5 Jahre eine leitende oder selbständige Tätigkeit auszuüben“.

Vielleicht geben die von Kathrin Brunner-Schwer dem Stadtarchiv übergebenen Schriftstücke aus dem Familienbesitz (1938-1945) über den einen oder anderen Punkt doch genauere Auskunft.

gez. Wolfgang Heitner, Villingen

 

 

 

Schreibe einen Kommentar