Schlossermeister Görlacher und der Mercedes-Handel

Wirtschaftswandel – Von Betrieben, Inhabern und den Belegschaften – Teil 18 – Blick in die 60er Boomjahre in Villingen – Firmen-Serie im Schwarzwälder Bote 2021

Mit den Aufbaujahren nach 1945 wurden einige der alten und auch neuen Firmen zu den stadtbekannten vor Ort und in der Region. Sie boten Arbeitsplätze, ihre Waren und ihre Dienste an, sie wechselten ihren Laden oder änderten den  Standort. Es wechselten die Inhaber, man bewarb die Firma und ihre Produkte, nutzte den Ausverkauf und liquidierte freiwillig oder geriet in den bedingten Konkurs. Andere wahrten ihren Bestand bis heute.

In einem roten, hochwertigen Buch-Kollektiv stellten sich Firmeninhaber 1964/65 vor, benannten ihre Leistung und ihre Belegschaft mit knapper „public relation“, selbst finanziert, knapp und präzise.

Villingens einstiger OB Severin Kern benannte das Werk als „Kultur-und Wirtschaftschronik“ der Boom-Jahre und als „Urkunde und Kunstwerk“. Ein „Goldenes Buch“, editiert vom Bühn-Verlag in München, mit historischem Blick auf 1000 Jahre Stadtgeschichte durch den Historiker Paul Revellio (1886 – 1966), mit Portraits einzelner Inhaber, mit Villinger Motiven und mit ehemaligen Betriebsgebäuden, gezeichnet von Gyorgy Jancovics aus München.

 

Heute – die Familien-Dynastie Görlacher

 

Handwerk hat nicht nur goldenen Boden, es verpflichtet oft auch den Nachwuchs das Erbe der Väter anzutreten. Als erster Görlacher kam  der Michael, ein Bäcker, nach Villingen, der bei Heirat mit Maria Granserin im Bürgerbuch von 1691 benannt wird,  und der zu kriegerischen Zeiten des Orts-Kommandanten Heinrich Freiherr zu Wilstorf mit einem Heereszug hierher kam.

Aus Michaels zweiter Ehe mit Barbara Linklin entstammen zehn Kindern, von denen Sohn Friedrich Lucia Feuerstein ehelicht, die ihm  Joseph Antonius gebar, der schließlich Vater des Ignaz I. Görlacher, wurde.

Ignaz, der 1813 unter Napoleon die Leiden des Russlandfeldzugs erfuhr, gründete 1817 als Mitglied der Villinger Bauleutezunft Ecke Bickenstraße und Gerberstraße seine Schlosserei, die ab 1848 von Sohn Fridolin betrieben wurde.

Auf dessen Tod lag es für  den Enkel Ignaz II. nahe, sich mit der ererb ten Schlosserei und  einem Ladenraum an der Oberen Straße auch dem Verkauf von Eisenwaren, Herden und Öfen und auch dem Handel mit Fahrrädern, den sogenannten Velozipeds zu widmen.

Nachdem später auch die ersten Motorräder im Angebot standen, kam es ab 1910 auch zum Handel mit Kraftfahrzeugen.

Für die bestehende Schlosserei entstand in der rückwärtigen Bärengasse eine knapp 1000 Quadratmeter große Halle, in der auch die Werkstatt für Autoreparaturen unterkam.

Ignaz II. hatte es bereits 1894 geschafft, seinen Schwiegervater, den Metzmeister Bär, von seinen Plänen zu überzeugen, die Gebäude von Alt-Rabenwirt Hall in der Oberen Straße und von Glaser Fürst in der Bärengasse baulich zu verbinden.

Auf den Tod von Ignaz II. 1926 setzte sich der Handel mit Fahrzeugen durch Sohn Fridolin II. und mit dessen Schwager Karl Kissendorfer erfolgreich fort. Bereits 1936 kam es zur Werksvertretung von Görlacher mit der Daimler-Benz AG in Stuttgart, wonach auch erstmals ein Automobil im Schaufenster der Oberen Straße stand und die Passanten sich wunderten, wie dieses ohne Zufahrt oder Rampe da hinein gekommen war.

 

Ignaz der II. Görlacher war Zeit seines Lebens der Entwicklung der Villinger Feuerwehr  eng verbunden und er vertrat die Interessen sowohl im Bürgerausschuss wie auch während 20 Jahren im badischen Landtag.

Bis zu den Nachkriegsjahren 1964/65  unserer Serie im Schwarzwälder Boten entstanden für Gorlächer  ein Wohn-und Geschäftshaus am vorderen Bickeberg (1953), ein Wohn-und  Bürogebäude an der Schelmengasse und für den Stahlbau im Ifängle. Auf der gewerblichen Erfolgspur ging es folglich auch für Ignaz III. (* 1934) in der fünften Generation weiter.

 

 

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