Spathelf Villingen importierte Waren aus aller Welt

Wirtschaftswandel – Von Betrieben, Inhabern und den Belegschaften / Teil 6

Blick in die 60er Boomjahre in Villingen – Firmen-Serie im Schwarzwälder Bote 2020

Einige Firmen zählten über Jahrzehnte zu den führenden in Stadt und Land, boten sichere Arbeitsplätze, erfuhren wirtschaftliche Veränderungen, die zum Wechsel der Inhaber, zur freiwilligen Liquidation oder in den bedingten Konkurs führten oder aber sie konnten bis heute ihren Bestand wahren.

 Als Buch-Kollektiv mit werbender Darstellung ihrer  Unternehmen stellten  Firmenchefs 1964/65 dereinst ihre Betriebe, ihre Leistungen  und ihr Personal  ins Licht der „public relation“: selbst finanziert, kurz und präzise.

Den Sammelband aus 1964/65 machte damals ein Vorwort von OB Severin Kern bedeutend, der diese zeitgenössische  „Kultur-und Wirtschaftschronik“ der Boom-Jahre als „Urkunde und Kunstwerk“ einstufte, das sich als „Goldenes Buch“ des Kunstverlags Bühn in München „aus der Masse der stadtamtlichen Bücher heraushebe“. Den begleitenden Überblick zur 1000-jährigen Stadtgeschichte schrieb der Villinger Historiker und Studienprofessor Paul Revellio (1886 – 1966). Die Portraits einzelner Inhaber mit weiteren Villinger Motiven und Skizzen, auch zu ehemaligen Betriebs-Gebäuden, schuf Gyorgy Jancovics, München.

Heute: Lebensmittelgroßhandel Spathelf

Kartl Spathelf

Es ist 140 Jahre her, das Johann Spathelf 1883 in Hornberg einen Kleinhandel mit Gemischtwaren eröffnete. Um die wohl eher bescheidenen Umsätze zu erhöhen, hatte er die Idee, andere Geschäfte der umliegenden Ortschaften aufzusuchen, um durch gemeinsame größere Einkaufsmengen auch bessere Konditionen zu bekommen. Spathelf baute so einen ersten Lebensmittel-Großhandel auf, der bereits vor 1914 durch Importe aus aller Welt einen guten Namen hatte. Für weiteren  Aufstieg sorgte Sohn Karl ab 1921 mit Umsicht und Weitblick.

Welche „politischen Gründe“ es waren, dass der Betrieb 1933 nach Villingen verlegt wurde, lässt die werbende 1964-er Firmenchronik offen, doch entging Spathelf der völligen Plünderung seiner Lager an der Lantwattenstraße nicht, von denen mit Kriegsende 1945 viele Firmen betroffen waren.

Doch Karl Spathelf († 1964),  begann noch einmal von vorn, wobei ihm die bekannten und über Jahrzehnte gepflegten Verbindungen im In-und Ausland halfen. So konnte sich Spathelf auch auf den unermüdlichen Einsatz seiner bis zu 80 Personen-Belegschaft zählen.

Im Wettbewerb mit dem lokalen Konkurrenten Martin Oberle  und dessen Kolonialwaren-Großhandel am Käferbergle, passioniert geführt vom Lebensmittel-Allrounder Adam Bügler,  betonte auch Spathelf in den 60ern den Import von Kolonialwaren, die eigene Wein-Kellerei, die Kaffee-Rösterei („SpaVi-Kaffee“ aus Spathelf und Villingen, der sogar im Restuarant des Stuttgarter Fernsehturms gebrüht wurde) sowie den Großhandel mit Spirituosen, Süßwaren und Tabakwaren.

Spathelfs „Chinesen-Tempel“ an den Lantwatten, wohl eine architektonische Reminiszenz an die Importe aus Südost-Asien

Spathelf expandierte mit einem Auslieferungslager im Allgäu und im Raum Stuttgart und er wurde wohl auch deshalb eines von 20 Mitgliedern der damaligen A&O-Handelskette.

Info

Die A&O-Handelskette, zu der auch Karl Spathelf gehörte, war eine freiwillige Kooperation von 20 Lebensmittel-Großhandlungen, die 1953 gegründet wurde und der sich in der Folge viele Einzelhändler als Kette anschlossen und mit dem Markenzeichen A & O warben. Die Märkte jener Zeit mit diesem Markenzeichen wurden zu einem der erfolgreichsten Supermarkt-Konzepte in den Dörfern und Städten der Republik.

Die berufsständischen Interessen vertrat er als Präsident der Handelskammer Villingen, als Vizepräsident der Handelskammer Konstanz sowie im Vorstand zahlreicher weiterer wirtschaftlicher Vereinigungen.

Nach 1952 wurde Spathelf auch geehrt mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik, mit dem Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen und dem Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern.

Auf den Tod von Karl Spathelf 1964 führte Maria Spathelf die Firma einige Jahre weiter, bis sich im Wettbewerb mit dem ersten Villinger Discounter Tschickart in der Kirnacherstraße, mit Lambert Weiss in der Mönchweilerstraße, mit ViVo („Viele Vorteile bietet ViVo“) und den Klebemärkchen, mit den Allkauf-Filialen von Martin Oberle und der Konsum eG mit ihren Rabatt-Tüten die Chronik Spathelf ohne weitere Spuren nach Donaueschingen verliert, wo sich Spathelf einer Handelskette anschließt und der Nahme Spathelf Anfang der 1970er-Jahre erlosch.

Der „Chinesen-Tempel“, das Firmengebäude an den Lantwatten, wurde kurzfristig zum lokalen „Kulturtreff“, doch waren es wohl Brandschutzauflagen, ungebetene, wohnsitzlose Übernachtungsgäste und einige Brandschäden, die weitere Nutzung verhinderten. Das Gebäude, das am ehesten häte denkmalgeschützt werden müssen, wurde platt gemacht und das Areal gewerblich für den Autohandel genutzt.

2 Gedanken zu „Spathelf Villingen importierte Waren aus aller Welt“

    • Mir war Lambert Weiß, wenn überhaupt, nur nebenbei bekannt geworden…

      Er bzw. seine Firma war in dem benannten PR-Buch aus 1964/65 nicht vertreten,
      somit war mir trotz meiner 72-Jahre der Lambert nicht geläufig…

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