David Würth – Lehrer, Turner Sänger, Poet und Schultheiß

David Würth (1850-1929)

Würths Auto-Biografie: Vom Dorfschulmeister zum Stadtschultheißen   (Teil I) – Der populäre Weg zum Amt des Schwenninger Schultheißen

von Wolfgang Bräun (c) by wob.

Wer mit deutlich über 70 seine Autobiografie verfasst, der hat meist das Talent dazu, war zuvor Person der Zeitgeschichte oder beansprucht, sich endlich selbst ein Denkmal zu setzen. Doch nicht so, nach dessen eigenem Vorwort, bei David Würth (1850-1929) in dessen Büchlein

„Vom Dorfschulmeister zum Stadtschultheißen“

das in dessen letztem Lebensjahr 1929 im Selbstverlag erschien.

 

Wer nun aus Zufall Würths 96-Seiten-Broschüre in Händen hält, zeigt sich überrascht, dass der Ehrenbürger Schwenningens (1912), dem eine Straße und 1972 die Kaufmännische Schule gewidmet wurde, vom „all-wissenden Netz“ so gut wie nicht erfasst wurde.

Und dabei benennt er knapp auf der ersten ‚Vakatseite‘:

„Meinen lieben Schwenningern zum bleibenden Andenken gewidmet.“

Würth startete im hohen Alter seinen rückblickenden Lebenslauf damit, dass  das Lebensziel oft erste auf Umwegen und durch wunderbar göttliche Führung erreicht werde.

David war der Sohn eines Postkondukteurs und dessen Frau Elisabeth, die mit beiden Kindern 1860 von Illingen nach Pforzheim zogen. Dort wurde David auch von der Nachbarstochter Auguste und seiner Schwester Nane gehütet, auch wenn sie  dies ungern taten, ihm aber zum großen Wohlgefallen die kindgerechte Reimerei in den Mund legten und näher brachten, die er sich später intensiv zum Hobby wählte.

„Bosheit stecke zwar dem Knaben im Herzen“, so Würth im Rückblick,  doch seine Mutter habe ihn stets zum Guten angehalten. Und so liebte er die Schule, übte sich im Turnen, wurde mit 13 Zögling des Turnvereins und erfreute sich am Zeichnen in Privatstunden.

Seinen Berufswunsch, Lehrer zu werden, unterlief der Vater jedoch, weil diese Spezies ärmlich zu leben hätte, weshalb es besser sei, Mechaniker zu werden.

David folgte, doch war er zunächst nur Bote für die wenig arbeitsfreudigen Gesellen, „ihnen Bier und Atzung zu holen“.

So wechselte David in die Pforzheimer Fabrik für Bijouterie, doch ein versäumter Arbeitstag, von dem er glaubte, dieser sei wegen eines Schauturnens frei, brachte ihm tags drauf eine Ohrfeige des Meisters ein, worauf David auch die zweite Lehrer schmiss.

Was folgte, war Vaters Zusage, dann eben doch Lehrer zu werden.

Nach Präparandenanstalt für angehende Lehrer, nach Seminar und Übungsschule bis  1868 kam David mit 18 Jahren als „Provisor“ nach Hopfau, Oberamt Sulz.

Nebenher hielt Würth mit Fabrikarbeitern Singstunden ab, woraus gar ein Gesangverein wurde. Sein Honorar fürs Dirigat: 10 Pfennig pro Stunde und am Monatsende auch Zigarren, die aber weder ihm noch Würths Vater schmecken wollten.

Würth, der bis zu 70 (!) Schüler allen Alters gleichzeitig zu unterrichten und „in Zaum zu halten“ hatte, wurde als Junglehrer „tauglich und brauchbar“  gemustert, doch ohne Stellungsbefehl, weshalb er im Verlauf 1870/71 „als Zivilist den glänzenden Siegeszug unserer Truppen“  verfolgte.

Würth ließ sich wenig später nach Holzheim, Oberamt Göppingen, versetzen, wo er auch der erwachsenen Bevölkerung den Umgang und die Zählweise mit dem neuen Geld, den neuen Maße und Gewichten beibrachte.

David gewann mehrfach beim Preis-Turnen und heimste auch kleine Pokale ein.

 

1872 kam Würth an das Töchterinstitut Göppingen, wo er sich finanziell besser stellte, er nebenbei Schriftführer im Turnverein wurde und er sich zum Turnlehrer ausbilden ließ. Seinem Professor attestierte er später, dass diesem, ihm zu leid, die Stab-und Marschübungen wichtiger gewesen seien als Reck oder Barren.

Würth hatte derweil wegen des passionierten Turnens seine primäre Unterrichtsdisziplin am Töchterinstitut wohl vernachlässigt, weshalb er an der Knabenmittelschule wieder „staatlich“ alimentiert wurde.

März 1874  – An der Volksschule Schwenningen unterrichten sechs Lehrer, zu denen David Würth für 100 Mädchen des 3. und 4. Schuljahres abgeordnet wurde.

Vor Ort lernte er auch den lokalen Dialekt kennen, als ihm das jeweilige Halbhundert seiner Schüler und Schülerinnen vor Unterrichtsbeginn zurief: „Meit eh! Meiteh!“, was sich Würth als „Wir wollen hinein!“ übersetzen ließ.

Konfrontiert wurde der 28-jährige auch von der Hippentracht mit schwarzen Käppchen, dem weißen Goller den roten Strümpfen und den ‚Toffeln‘, die die Mädchen trugen.

Konfrontiert wurde der 28-jährige Würth mit der Hippentracht – schwarze Käppchen, weißer Goller, rote Strümpfe und Toffeln‘ – die Würths Schulinspektor Gaspar abschaffen wollte.

 

Da schon ein Doktor Sturm 1823 die Schwenninger Tracht als unbequem betrachtet hatte, weil diese durch das feste Mieder die Haltung der Mädchen auch die später gebückte Haltung der Frauen auslösen würde, wollte Würths Schulinspektor Gaspar, dass die Mädchen wenigstens im Unterricht das Käppchen abnehmen sollen.

Doch die Mütter opponierten, weil die Kappe als „unentbehrlich gelte“, was bei Würth die Anregung des Schulinspektors nicht festigte und ihm stattdessen die Tracht stets interessant erschien.

So widmete sich Würth in Schwenningen dem, was ihm näher lag, dem Turn und Schreibunterricht an der der Realschule.

Die bereits bestehende „Turngemeinde“ wurde von Würth dabei von dessen exerzierten Stab-und Marschübungen überrascht.

TG-Mitglied Würth siegte in jenen Monaten mehrfach beim Preisturnen bei Gaufesten. Da die TG-ler auch gerne sangen, übte Würth mit ihnen auch Turnerlieder ein und er selbst mit 59 zum TG-Jubiläum noch in der Altersriege mitturnte.

Was Würth außerschulisch im „Rössle“, dem Haus seiner Wohnung, nicht verborgen blieb, waren „hiesige Herren, die bemüht waren, ihr nicht unbeträchtliches Vermögen rasch in Alkohol umzusetzen“.

Im einstigen „Rössle“, auch Wohnanschrift für Lehrer Würth, blieb nicht unbemerkt, dass der Champagner bei einigen hohen Herren vielfach kräftig floss.

So kam es vor, dass der Wirt, der übernächtigte „Bäckenjokele“, noch morgens Champagner statt Kaffee bieten konnte, während die Herren noch schlafend nach hinten lehnten oder auf beiden Armen am runden Tisch hingen.

Das edle Nass belebte folglich auch den Würth, dass dieser am Dozieren Lust empfand und er zur Disziplin seinen Rohrstock nicht einsetze und – schreibt Würth viel später – „die Schülerinnen ungeschlagen davonkamen“.

Eine Zeit, in der zur weinseligen Laune auch die Liebe dazu kam. Würth lernte die Metzgerstochter aus der Nachbarschaft kennen, deren Eltern ein intimes Verhältnis jedoch nicht wünschten, weil beim Lehr beruf der Nahrungsstand nicht gesichert sei. Würth machte seiner Auserwählten jedoch begreiflich, dass sie ja ausgleichend wirken könne… ( Teil II folgt)

 

 

 

 

 

 

Widmung in Würths Büchlein in prägnanter Schönschrift 1929.

 

Fotos / Repros: Archiv Bräun

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