Tradition mit Krippenkunst         

Eine große Krippe arrangiert jährlich neu Enza Milia im Salon Manger

Einst schilderte 1950 der Arzt und Historiker Johann Nepomuk Häßler (1899 bis 1981) den edlen Krippen-Wettstreit der alt-vorderen Villinger Familien. Denn er ging nicht nur leidenschaftlich und mit Hingabe seinem Beruf als Mediziner nach, weshalb ihm seine Heimatstadt ihm als Hobby-Historiker, der er über Jahrzehnte war, gleich zwei bemerkenswert fundierte Geschichtsbüchlein über die Villinger Historie während des Spanischen Erbfolgekrieges und über die Loretto-Kapelle verdankt.
War er doch mit einer kleinen Gruppe geschichtsinteressierter Autoren Villingens auch Nestor des späteren Geschichts- und Heimatvereins.
Häßler selbst entstammte einem alten Villinger Geschlecht, dessen Stammbaum er bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgte. Seine nostalgisch-historischen Aufsätze machte er stets an seiner Heimatstadt fest, wobei er sich 1972 auch gegen die Doppelstadt und für ein selbständiges Villingen aussprach. Für seine Verdienste erhielt er das Bundesverdienstkreuz und wurde Ehrenmitglied im Geschichtsverein.

Vom Wettstreit, in welcher Villinger Familie die schönste Weihnachts-Krippe steht, erzählt Häßler um 1950 und erinnert daran, dass Weihnachten um 1850 noch ohne Christbaum und ohne Bescherung am 24. gefeierte wurde, weil bereits der Nikolaustag bescheidenen Geschenken wie Äpfeln, Birnen, Nüsse, „Gutele“, „Birre-Wecke“ und kleine nützliche Gegenstände brachte.
Da der Christbaum erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch in die Villinger Stuben kam, feierten die Familien zuvor „in stiller Besinnlichkeit und Andacht“, und so war auch in den ärmsten Familien ein Kripplein oder wenigstens ein Krippenbild aufgestellt. Franz von Asissi sei es gewesen, der einst 1223 in einer Grotte bei Greccio eine Weihnachts-Krippe zu Andacht gebaut habe, worauf dies zur Sitte wurde und um 1268 zunächst wohl die Villinger Franziskaner dies übernahmen.

Häßler beschrieb damals, dass in der Altertümer-Sammlung noch zwei Alabaster-Krippen aus dem 15. Jahrhundert und zwei weitere aus geschnitzten Beinfiguren um 1700 als wertvolle Kostbarkeiten gelten.
Einfache Bürgerleute behalfen sich stattdessen mit Krippen aus Papier, Wachs, Ton oder Holz, wobei oft die Jugend diese Figuren während langer Winterabende fertigte. Der Historiker beschreibt Teile einer ihm eigenen Barock-Krippe aus dem 18. Jahrhundert: Hirten, die heilige Familie, die drei Könige und weitere biblisch Darstellungen – gemalt auf der Rückseite von Spielkarten.
Aus jener Zeit, so Häßler, stamme auch „eine der schönsten und reichhaltigsten Krippen unserer Stadt, die im Bicken-Kloster“.
Figuren aus Wachs und Ton und in Stoff gekleidet wurden in eine Schwarzwald-Landschaft mit der Ruine Waldau bei Buchenberg inszeniert. Selbst die Hochzeit zu Kanaa zeigte geladene Gäste an reich gedeckten Tischen, Musikanten, den Hochzeitslader und das Weinfuhrwerk.

Charakteristisch für Villingen waren jedoch die „Wihnächte“ von 1800 bis 1850, für die die begabten Mitglieder der Zünfte der Weber, der Schuhmacher, Schreiner und Wirte „ansehnliche Figuren in Ton fertigten, die ihnen der Hafner brannte“.

So kam es in den Bürgerhäusern und zwischen den Familien zu einem wahren Wettstreit um die möglichst größte und schönste „Wihnächte“ mitsamt ihren imposanten Landschaften, Häusern, Brunnen, Ställen, Tempeln, Bergen und Tälern, mit Bächen, Brücken und Stegen, „so dass manche Wihnächte die halbe Stube einnahm“.
Mit der Zeit besaßen auf diese Weise manche Familien mehrere hundert dieser Tonplastiken, so Johann Nepomuk Häßler, mit denen man jährlich neu gestalten konnte.
Der Historiker erinnerte sich 1954 auch daran, dass man sich gegenseitig besuchte, nachdem vor allem die Buben in der Nachbarschaft oft gefragt hatten: „Honer des Johr au e Wihnächte?“

Heute befindet sich aktuell in der Obhut von Enza Milia in der vorderen Brunnenstraße bei Frisör Manger eine überraschend große und erneut schöne und reichhaltige Krippe.
In großer Mühe hat die Italienerin aus Sizilien mit Hilfe ihres Mannes Nunzio und ihrer Familie eine Landschaft geschaffen, in der neben dem Stall zu Bethlehem  mit der heiligen Familie und all den Viechern selbst ein Barbier, eine Holzofen-Pizzeria und ein Schweinehirt am Grill nicht fehlen. Und so wird wohl jeder Kunde einen anmutenden Blick auf die Szenerie werfen, für die es heißt: Freude am Hobby kann auch zur Freude des Betrachters werden.

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