Villingen – wehrhafte Stadt seit 1524

Gewappnet und im militärischen Dienst eines Herrn oder einer Stadt: ein Reisiger als Herold mit dem Banner der Stadt Villingen (aus dem Wappenbuch von 1545).

Von Bauern, Württembergern, Schweden und Franzosen

Als im August 1525 der zweijährige Bauernkrieg in der Region als beendet galt, durch den  die rechtlich und wirtschaftlich abhängigen Landwirte aus ihrer vielfachen Not befreit werden sollten, er jedoch nur Elend und Tod und weiterhin Unterdrückung durch die siegreichen Herren brachte, stellte sich Mitte 1525 dann doch wieder die bislang gültige Ordnung für das regierende Fürstenhaus und die Stadt Villingen ein.

Froh war darüber auch Friedrich zu Fürstenberg, der wegen der aufständischen Bauern mit seiner Familie und der wichtigsten Habe ins nahe Villingen geflüchtet war.

So war dann dem Rat der Stadt wahrlich auch zum Feiern  zumute, als der Fürst am 25. August 1525 für die Herrenstube einen mächtigen Hirsch spendierte, um mit Mutter, Frau und Kindern und anderen Adeligen in Villingen „Gesellschaft zu halten“.

 

Hug’sche Handschrift um 1525 – Heinrich Hug (1465/70 – 1533) war über die Bauleutezunft auch bei den Patriziern in der Herrenstube zu Gast; er war für 20 Jahre im Rat der Stadt, der auch die Hohe Gerichtsbarkeit ausübte und war nach eigenen Angaben um 1500 auf Pilgerfahrt nach Rom.

Ach wenn der Chronist Heinrich Hug  berichtet (von 1495 bis 1533), dass der ehrsame Rat mit Frauen, mit allen Stubengesellen und auch wer sonst Lust  hatte als geladen galten, waren wohl nicht alle Bürger mit dabei, obwohl sie stets die materielle und körperliche Hauptlast trugen, wenn es darum ging, die Stadt gegen feindlichen Gesinnung zu verteidigen.

Das Nachtmahl „mit aller Lust und Freud… und einem ehrlichen Tanz“ soll damit geendet haben, dass der Fürst zum Gönner für jedermann wurde und der Rat sich verpflichtet sah, tags drauf den Fürst samt all seinem Hofgesinde zu

„…Fleisch, Kapaunen (Masthahn) und guten Fischen  in die Herrenstube einzuladen, worauf der Adel und auch sonst viel fremdes Volk bei begleitend gutem Wein und Brot auch wieder einen Tanz hatte“.

Der dies alles überlieferte in seinen Tagebüchen der Zeitgenosse Heinrich Hug.

Zeitreise und lebendige Geschichte in 2018

Als es am Wochenende des 22. und 23. Juli 2018 im Stadtbezirk der Zähringerstadt Villingen mit Kanonendonner und Pulverdampf zu einer „Zeitreise in die Geschichte“ mit den Grenadieren von 1810 und ihrem Freundeskreis ‚Lebendige Geschichte’ kommt, gleichzeitig zu einem Landestreffen der Bürgerwehren und Milizen, zu einem Großen Zapfenstreich und auch zu einem prachtvollen Umzug mit einem „opulenten Aufgebot historischen Militärs“, durfte nachträglich nicht versäumt werden, die regionale und lokale Abfolge im Zeitverlauf seit den Bauernkriegen zu beschreiben.

Frondienste. Im Südwesten, mit seinen kleinen Territorien, war es kein Zufall, dass die große Zahl der Leibeigenen die Last des Frondienstes abschütteln wollte und man dem Grund- und Patronatsherrn den Zehnten als Steuer missbilligte, weil diesem diese Einkünfte nie reichen wollten.

Hing schon als Lüsterweibchen zum Amüsement der Patrizier und Müßiggänger in der Herrenstube an der Decke als der Fürst eine „Party“ gab.

Zahlte man in den Städten nun bereits mit Geld statt mit Naturalien, kam hinzu, dass nicht mehr das frühere Dorfgericht als Gremium von Gleichen galt, sondern ein Vogt zum Dorfrichter wurde, den die Herrschaft einsetzte.

Willkür war gegeben, wie auch der Widerstand zwecklos war: je weniger Rechte die Bauern bekamen oder hatten, desto eher forderte man ihre Arbeitskraft und Steuern, den Zehnten. Vermögen von Verurteilten wurde eingezogen, und bei der Jagd, beim Fischfang und beim Holz war alles nur zugunsten des Herrn zugelassen. Als besonders rücksichtslos sollen sich die Grafen  von Lugen in Stühlingen ausgeführt haben:

„…kein Dienst war so geringfügig,  dass man sich nicht scheute, die Bauern statt ihres Tagwerks zur Fron zu rufen, um Schneckenhäuschen für die Gräfin zu sammeln…“

Gefährliche Lage. Das Maß des Erträglichen galt 1524 als voll, weshalb sich die Stühlinger mit den Bauern der Grafschaft Bonndorf gegen ihre Herren erhoben.

Die Lage galt als gefährlich, was auch die österreichische Regierung so sah, und so zogen die Junker Hans und Burkhart von Schellenberg, damals die Herren von Hüfingen, mit Sack und Pack ihrer wertvollen Habe hinter die schützenden Mauern der Stadt Villingen. Denn „draußen liefen die Bauern zusammen wie die Säu‘“.

Mit dabei die Brigachtäler Bauern als aufständischer „Haufen“, die als Untertanen der Stadt Villingen deutlich schlechter dran waren als deren Bürger, weil man über der Landwirte Ergebnis den Nutzen zog für den städtischen Haushalt und dies aus der Herrschaft der Warenburg, des Brigachtals und des unteren Kirnachtals.

Diplomatie. Um jedoch die Gefahr eines militanten Bauernaufstands abzuwenden, schickte Wien den Ritter Hans Jakob von Landau mit 1800 Mann und 200 Pferden den Bauern entgegen, der diese jedoch nicht angriff, weil die Bauern und die Dorf-Vögte mit 16 Positionen eines Forderungskatalogs wollten, dass  die Streitsache diplomatisch vom Schiedsgericht Villingen  entschieden werde.

Bei den Bauern blieben jedoch Zweifel ob der Absprache, und so hatten gleich zwei Agitatoren ihre Anhänger: Hans Müller von Bulgenbach und der Wirt Oswald Meder von Rietheim, der den „Brigachtaler Haufen“ anführen sollte. Hüfingen wurde zu deren Waffen-und Sammelplatz, nachdem die Schellenenberger geflohen  waren.

Rädelsführer Meder. Am 13. Dezember kam es dann zum ersten blutigen Zusammenstoß. Mit Hilfe einiger ‚Reisiger“ aus Württemberg (gewappnete Dienstleute eines Herrn), mit 400 Mann und fünf Feldgeschützen zog man gegen Oswald Meders Lager in Donaueschingen, wo die Bauern die Gefahr erkannten und flüchteten. Doch man verfolgte sie und erstach einige, weshalb die Bauern verbreiteten, Villingen sei eine Mördergrube.

An ihrer politischen Absicht hielten die Bauern jedoch fest: es sei die Landesherrschaft zu erneuern, damit die Steuer-und Arbeitskraft nicht weiter missbraucht werde. Auch mit der  „Erregung der Geister“ durch die reformatorischen Ziele sollte wieder natürliches und göttliches Recht gelten: Leibeigenschaft und Frondienst seien zu verwerfen; alles gewaltfrei und ohne Schwertstreich.

 

Stets wehrhaft als Festung und mit tapferer Bevölkerung

Schwur in der Kirche. In der Stadt herrschte jedoch Angst vor einem Ansturm, denn 7000 Bauern hätten sich in der Baar zusammen gerottet und hinter schützenden Mauern  waren  es in der Stadt nur ein Zehntel. Doch mit dem hundertstimmigen Schwur der Bürgerschaft aller Schichten am Ostermontag vier Uhr früh in der Barfüßerkirche (später Franziskaner) gelobte man die Treue zu Österreich und werde deshalb die Stadt „bis zum letzten Blutstropfen verteidigen“.

 

Denn die Gefahr kam aus allen Richtungen, auch von Norden, von den Württemberger Bauern und deren militantem Freund Ulrich von Württemberg.

In der Stadt selbst war man sich der vielen “armen Gesellen“ nicht sicher, nahm man doch an, sie könnten mit den Bauern kollaborieren, um sich nach einer  Übernahme bereichern zu wollen.

Und Hans Müller lässt anrücken – vom Bregtal aus:  Zindelstein und Neufürstenberg werden erobert und angezündet. Schriftlich fordert man die Villinger auf, sich zu unterwerfen, doch ließ man den Boten in den Niederen Torturm einsperren.

Müllers Strategie war kaum zu durchschauen: er zieht gen Freiburg, das 3000 Gulden Kontribution zahlt und aus Angst in die Bruderschaft eintritt. Jetzt fassen die Bauern im Mai 1525 den Mut, auch Villingen einzunehmen, während die Schwenninger sich auf die ungeschützten Dörfer des Villinger Gebietes stürzen, plündern und das Vieh rauben.

Hundert Jahre zuvor galt die Warenburg, die im Eigentum Villingens stand, als Herrschaft über das Brigachtal. Im 30-jährigen Krieg wurde sie geschleift, um den Feinden keinen Schutz zu bieten.

Hubenloch entlaubt. Doch die Stadt soll nicht fallen. Um dem Angreifer keine Deckung zu bieten, bricht man außerhalb der Mauern die Gartenhäuschen ab, die Kalkhütte und das Neue Bad. Alle Bäume auf dem Hubenloch werden gefällt. Auf dem Rathaus wird ständig gewacht und fünf von zehn Zünften stehen unter Waffen.

Doch Massenführer Müller verliert an Unterstützung, weil die Bauern an ihre materielle Existenz, an die Familien und an die anstehende Heuernte denken. Und ohne Artillerie ist Villingen nicht zu überfallen.

Weil sich nun aber auch Radolfzell erfolgreich wehrte, schien auch Villingen gerettet. Und  die Stadt rächt sich nach aufregender Spannung: man plündert und brandschatzt das am meisten gehasste Schwenningen, „das man bis auf zwei Häuslein in Flammen setzt“.

Auch machte man bei  berittenen Ausfällen weitere Beute von Peterzell bis Mönchweiler, die unter der Villinger Bürgerschaft verteilt wurde: Hug selbst setzte seinen  Teil in Elsässer Wein um und hortete diesen „im Haus seiner Base Thorade Sutter“.

Zu Zeiten der Bauernaufstände von den Villingern verhasst: das Dorf Schwenningen, das schließlich auch gebrandschatzt wurde.

Schließlich befahl die österreichische Regierung, das Streifen einzustellen. Doch noch einmal zog man den Bauern im Brigachtal entgegen, die kapituliert hatten und sich unterwarfen.

Am 10. August 1525 erschienen mit Lutz von Landau und Friedrich zwei österreichische Kommissare, um auf dem Münsterplatz insbesondere die Bräunlinger strafend zu demütigen: „Es waren arm, lieblos, elend Lüt, jung und alt“.

Zehn Tage später kam es für die Villinger zur pompösen Feier mit dem spendierten mächtig großen Hirsch des Fürsten.

 

 

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