Villingen – wehrhafte Stadt (II)

Von  tapferen Bürgern, den Belagerern von 1633/34 und den Kommandanten – Kaiser-Wappen von 1530

Stets wehrhaft als Festung: Villingens Mauern für die tapfere Bürgerschaft.

Es war ein gefahrvolles Jahrzehnt, das die Villinger als feste Stütze Habsburgs durchstanden hatten: die Scharmützel im Schweizer Krieg, den Bauernsturm 1525/26 und den aufkeimenden konfessionellen Streit um die beginnende Reformation. Trotz der Unruhen hatte man sich gegen die Rebellion der Bauern ausreichend gerüstet und gewappnet, dass man die Tore nicht hatte öffnen müssen.

Auch ohne dass Kaiser Karl V. hätte militärisch unterstützen können, er wurde mit 19 Jahren (1519) Erbe des Erzherzogtums Österreich und zugleich König von Spanien, bewies man sich in Villingen stolz auf die tapfere und wehrhafte Haltung, die auch durch die führenden Männer der Stadt zu hohem Selbstbewusstsein geführt hatte.

Bereits 1503 hatte der Junker Jakob Betz, Sohn eines Patrizierfamilie in Überlingen,  das beantragte Bürgerrecht erhalten und wurde danach nicht nur zum Bürgermeister und zum Schultheiß, sondern stand auch in allen Anfeindungen von außen stets an vorderster Stelle..

Weil nun Überlingen „in den lutherischen und bäuerischen Empörungen“ samt Aufruhr sich auch der christlichen Kirche gehorsam und tapfer bewiesen habe und deswegen schon 1528 einen kaiserlichen neuen Wappenbrief erhalten hatte, zog Junker Betz in den Sommertagen 1530 mit Stadtschreiber Hans Küng nach Augsburg, wo der Kaiser zum Reichstag weilte. Betz war darauf erpicht, auch für Villingen einen solch ehrenden Wappenbrief zu erhalten.

Der tüchtige Glasmaler Hans Gitschmann von Robstein fertigte 1538 in Erinnerung an 1530 „eine Scheibe voll leuchtender Farbenpracht“, die im Kopfstück über dem neuen Stadtwappen die damalige Szene zeigt.

Obwohl wegen einer schweren Seuche in jenem Sommer 625 Menschen, gleich einem Fünftel der Bevölkerung, gestorben waren, hatte  der Rat das Ansinnen unterstützt. Betz brauchte jedoch Geduld, schickte der Kosten wegen den ihn begleitenden Stadtschreiber früher zurück und wurde schließlich „treulich und freundlich“ empfangen, erhielt ein kaiserliches Hauptbanner samt einem großen und einem kleinen Siegel. Das alles wegen der Verdienste der Stadt um das Hause Österreich, auch wenn die begleitende Urkunde „nur“ von König Ferdinand, Herr der Erblande, unterschrieben war.

Betz‘ Rückkunft wurde leidenschaftlich gefeiert, wobei „ein ehrsamer Rat befahl“, jedem der 500, die Betz entgegen gezogen waren, vier Kreuzer zu zahlen, was 500 Batzen wert war (16 Pfennig = 1 Kreuzer; vier Kreuzer = 1 Batzen).

Das neue verbesserte Hauptpanier war ein „blau-weiß gespaltenes Schild, darin ein aufrecht fliegender, golden bewehrter roter Adler, darüber ein Helm mit blauer und weißer Decke als Bausch samt aufrechtem Pfauenschweif in grün gespiegelten Farben“.

 

Starke Artillerie. Um sich immer wieder gegen Angreifer und Widersacher zur Wehr zu setzen und um vor allem Belagerungen auszuhalten, hatte man nach 1218, als  der Standort Villingen für Friedrich II., den Staufer, die schwäbischen und elsässischen Gütern sichern sollte, unter ‚Schenk‘ Konrad von Winterstetten mit dem Umbau der Umwallung in Stein und  mit den Toren begonnen.

Als im 16. Jahrhundert die Artillerie immer stärker die bürgerlich-städtische  Bewaffnung wie auch die Gefahr durch den ebenso bewaffneten Feind bestimmte, wurden die Tortürme zu ‘Batterie-Türmen‘, um hoch oben Geschütze einzurichten.

Auszugsordnung. Die militärische „Besatzung“ Villingens bestand um 1600 aus 500 Mann, die zwar nicht ständig, wohl aber bei Gefahr als Miliz einberufen wurden: Männer jeden Alters aus der Bürgerschaft, den Zünften und den städtischen Gehöften Nordstetten und Vockenhausen und aus 200 Bauern der Gemeinden des Brigachtals und aus Pfaffenweiler.

Doppelsöldner nannte man jene ‚Infanteristen‘, die ihrer Bewaffnung und Rüstung wegen, bereit waren, in vorderster Linie zu kämpfen, um deshalb den doppelten Sold zu erlangen.

Sie stellten 188 Pikeniere, 360 „Doppelsöldner“ mit Harnisch, Langspieß und Pickelhauben, bezahlt bei erhöhtem Sold, 478 Musketiere und 40 Mann zu Bedienung der „Stucken“, jene kleineren Kanonen ohne fahrbare Lafette.

Nach dem damaligen Stadtrecht und der Auszugsordnung von 1592 galt als Pflicht: dass wenn die Sturmglocke läute, jedermann mit Harnisch und Gewehr auf den Münsterplatz komme, besonders die Büchsen-und die Armbrustschützen, damit man den Milizionären Posten und Tor zuordnete und sie den verordneten Offizieren gehorchten. Übers Jahr hatte ein ‚Harnischbieter‘ vier Mal zu revidieren, dass die Waffen der Bürger tatsächlich gebrauchsfähig blieben.

Oberstleutnant Äscher. Und Villingen musste ‚mobil‘ machen, als 100 Jahre auf den Bauernkrieg die Württemberger im Bündnis mit Franzosen und Schweden sich gegen habsburgisch-österreichischen Druck wehren wollten, indem sie Rottweil und Villingen erobern wollten.

Doch mit Unterstützung des Burgvogts aus Breisach, dem Oberstleutnante Johann Werner Äscher von Büningen und seinen 520 Mann, waren die Villinger den Feinden gewachsen.

Als Chronist notierte Theoger Gästlin allerdings für den Januar 1633: “…aus der  feindlichen Artillerie wurden an einem Tag 500 Schüsse abgegeben.“ Weil aber Oberst Michael Rau nur von Osten angriff, hielten die Villinger von allen Batterietürmen massiv dagegen. Die erste Belagerung 1633 wurde zwar abgewehrt, Januar-Kälte, Nässe und Desserteure spielten günstig mit, doch hatte die mittelalterliche Festung starken Schaden genommen: zwei Rondelle, das Vortor und das Bicken-Kloster wurden stark zertrümmert.

Leutnant Thanner. Rechtzeitig im Juni 1633 kamen 112 Äscher’sche Reiter nach Villingen, die von Simon Thanner geführt wurden und der hier eigentlich eine  Bürgerstochter heiraten wollte. Doch gleich nach der Hochzeit musste sich Thanner kampfstark beweisen.  Diesmal donnerte die feindliche Artillerie ab dem 14. August von Westen und vom Hubenloch: Riettor und Franziskaner sollten fallen.

Thomas Schneider aus Villingen war als Soldat 82 Monate lang Musketier und „Fendrich“ bis zu seinem „merklichen empfindlichen Leibschaden“. Seinem Passport vom 9. Januar 1633 wurde ein farbiges Konterfei beigefügt.

Die Brandgefahr in der Stadt war hoch, doch auch mit nassen Rindshäuten konnten die Brandwachen die Flammen ersticken. Einige Zuflüsse in die Stadtbäche hatten die Belagerer abgegraben.

Theoger Gästlin schrieb zum 8. September: „ …morgens gegen sechs Uhr begann das Donnern der Geschütze, dass die ganze Erde erzitterte“.

Und auch Abt Gaiser, der Benediktiner-Primus, notierte: “..die Beschießung mit über 500 Kugeln aus schweren Geschützen und bei 125 leichteren Granaten ist so schwer, das die Stadt wohl völlig ruiniert werde…“.

Das Krachen der berstenden Geschosse, der Lärme der Mörser, die durchlöcherten Gebäude und die einstürzenden Dächer könnten als Bild des Grauens nur mit dem Untergang Trojas verglichen werden, so Gaiser.

Heißes Wasser. Man solle die Waffen strecken, hatte man einem feindlichen Trompeter als Nachricht ans Obere Tor mitgegeben, doch die Belagerten trotzdem: im Nahkampf wurde jene zurückgeschlagen, die die Mauern am Riettor erstiegen hatten. Soldaten, Bürger und Frauen verteidigten ihre Stadt auch mit heißem Wasser, mit Steinen und selbst mit bestückten Bienenkörben. Nach zwei Stunden Kampf war der Angriff an allen Stellen gescheitert. Der Feind soll bis zu 1000 Tote erlitten haben; die Verteidiger nur sechs Mann.

Christoph Martin Freiherr von Degenfeld scheiterte an den Villingern: „Es jammert mich von Herzen, dass so viel Zeit mit diesem Lumpennest zugebracht worden…“.

Und weil Thanners Kavallerie schließlich mit einem Ausfall das Hauptlager am Hoptbühl stürmte und weitere 200 Feinde „niedermachte“, weil die Belagerer auch schlecht versorgt waren mit Geld, Proviant Kleidung, bei der Fürsorge von Verwundeten und Kranken sowie wegen der Konfusion durch Desserteure, wurde Oberst Rau von Christoph Martin Freiherr von Degenfeld abgelöst.

 

Doch auch er scheiterte schließlich an der Verfassung seines Heeres und er schrieb an seinen Herzog: „Es jammert mich von Herzen, dass so viel Zeit mit diesem Lumpennest zugebracht worden…“ und dass er sicher lieber den Hals entzwei schlagen ließ, als die Blockade Villingens aufzugeben.  Als jedoch die Kaiserlich-Bayrischen vom Bodensee in den Hegau zogen, gab Degenfeld am 5. Oktober 1633 auf.

Um Villingens Bürger danach wieder aus Mangel und Not zu befreien, plünderte man auf Streifzügen auch das noch unversehrte St. Georgen: „Ein Schaudern durchlief mich bis ins innerste Mark“, so Abt Gaiser, als er hörte, dass die Villinger Reiterei am 13. Oktober 1633 auch sein Kloster in Schutt und Asche gelegt hatte.

 

 

 

 

 

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