Am Stöckerbergle gab’s Kaffee und Rotwein

Betriebe, Inhaber und Belegschaften  – Teil 9 – 60er Boomjahre – Firmen-Serie 2020

In den Aufbaujahren ab 1945 zählten einige alte und neue Firmen zu den stadtbekannten vor Ort und in der Region, boten Waren und Dienste an, wechselten ihre Ladenlokal oder den  Standort, es wechselten die Inhaber, man bewarb den Ausverkauf und liquidierte freiwillig oder geriet in den bedingten Konkurs. Andere wahrten ihren Bestand bis heute.

 Mit einem Buch-Kollektiv über ihre  Unternehmen stellten sich Firmeninhaber 1964/65 dereinst vor, benannten Leistung und Belegschaft mit kurzer „public relation“ – selbst finanziert. knapp und präzise.

Villingens einstiger OB Severin Kern benannte im Vorwort das Werk als „Kultur-und Wirtschaftschronik“ der Boom-Jahre und als „Urkunde und Kunstwerk“. Ein „Goldenes Buch“, verlegt von Bühn in München, mit historischem Blick auf 1000 Jahre Stadtgeschichte durch den Historiker Paul Revellio (1886 – 1966), mit Portraits einzelner Inhaber, mit Villinger Motiven und ehemaligen Betriebsgebäuden von Gyorgy Jancovics, aus München.

Heute: Martin Oberle, Kolonialwaren-Großhandel

Die Adresse Stöckerbergle war für auswärtige Firmenvertreter in den 60er Jahren nicht unbedingt gleich zu finden. Liegt doch das Bergle, benannt nach dem dort einst wohnhaften Medizinalrat Stöcker, als Sackgasse deutlich abseits vom sonst örtlichen Verkehr, wenn auch direkt unterhalb der Schwenninger Straße.

Als jedoch Martin Oberle als Seifensieder und Seiler seine beiden Werkstätten eröffnete, war Villingen jedoch noch weit entfernt von wirtschaftlicher Kraft und Stärke.

Sohn Wilhelm übernahm 1873 das väterliche Erbe und gründete 1881 mit Bruder Martin eine offene Handelsgesellschaft für den angestrebten Handel mit Kolonialwaren.

Doch erst vier Jahrzehnte später sollte der Neubau eines Lagerhauses ausschließlich dem Großhandel von Kolonialwaren dienen.

INFO

 Als Kolonialwaren wurden zur Kolonialzeit überseeische Lebens- und Genussmittel, wie z. B. Zucker, Kaffee, Tabak, Reis, Kakao, Gewürze und Tee bezeichnet. Kolonialwarengroßhändler importierten diese Produkte, die in Kolonialwarenläden verkauft wurden.

Bis in die 1970er Jahre war ein „Kolonialwarenladen“ noch gängig; man zählte alle Grundnahrungsmittel dazu, egal woher daneben auch Seife, Waschmittel, Petroleum und anderen Haushaltsbedarf. Also ein Tante-Emma-Laden .

Der Namen ist bis heute in Edeka zu finden: „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“, also E. d. K.).

Nach verschiedenen Änderungen der Rechtsform wurde Alois Oberle 1948 in 3. Generation alleiniger Inhaber.

Nach dessen Tod 1954 übertrug Alois‘ Witwe die Geschäfte 1957 auf den Schwiegersohn Wolfgang Werner (1932-2017). Dem Diplomkaufmann gelang es zunächst erfolgreich, mehrere Einzelhandelsgeschäfte als „Allkauf“ zu etablieren. Innerbetrieblich war zeitgleich Adam Bügler Prokurist und Betriebsleiter. Seine Frau Johanna  geb. Kattler, Jhg. 1917/18,wurde hunderten junger Kaufleute als Lehrerin für Büro, Steno und Maschineschreiben bekannt.

Zu Adams Können gehörte auch, die Eigenmarke Emos-Kaffee zu rösten und importierte spanische Fassweine als Oberles „Stierblut“ auf Literflaschen zu ziehen.

Die Konkurrenz unter den aufstrebenden Discountern führte den einstigen Kolonialwarengroßhändler um 1980 in den Konkurs.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar