Florales Ambiente unterm Riettor

Wirtschaftswandel – Von Betrieben, Inhabern und den Belegschaften / Teil 7 –

Blick in die 60er Boomjahre in Villingen – Firmen-Serie im Schwarzwälder Bote 2020

Einige Firmen zählten über Jahrzehnte zu den stadtbekannten vor Ort und in der Region, boten ihre Dienstleistungen, veränderten ihren Standort und sich selbst durch Wechsel der Inhaber, liquidierten freiwillig oder in gerieten in den bedingten Konkurs oder führten oder wahrten ihren Bestand bis heute.

In werbender Darstellung und als Buch-Kollektiv zu ihren  Unternehmen stellten Firmeninhaber 1964/65 dereinst ihre Betriebe, ihre Leistungen ins Licht der „public relation“: selbst finanziert, kurz und präzise.

Florales unterm südlichen Riettor-Bogen – Adresse für Blumen-Fackler in städtischer Pacht ab 1953.

 

Diesen einmaligen Sammelband machte  ein Vorwort von OB Severin Kern bedeutend, der diese „Kultur-und Wirtschaftschronik“ der Boom-Jahre als „Urkunde und Kunstwerk“ einstufte, das sich als „Goldenes Buch“ des Kunstverlags Bühn in München „aus der Masse der stadtamtlichen Bücher heraushebe“. Den historischen Blick zur 1000-jährigen Stadtgeschichte verfasste dazu der Villinger Historiker Paul Revellio (1886 – 1966). Die Portraits einzelner Inhaber, zahlreiche Villinger Motive und Skizzen zu ehemaligen Betriebs-Gebäuden schuf Gyorgy Jancovics, München.

 

Heute: Blumen-Fackler unterm Riet-Tor

Es war 1948 als Gretl und Franz Fackler den Schritt in die Selbständigkeit wagten. Gretl war gebürtige Freiburgerin, Jahrgang 1910, wurde beim großen Bombenangriff am  27. Nov. 1944 ausgebombt, worauf es sie nach Villingen verschlug.

Hier lernte sie Franz Fackler, Jahrgang 1908, kennen, der vor, während und nach dem Krieg als Laienschauspieler und Sänger auftrat. Ihre erste Geschäftsadresse war die Bickenstraße, in einer Zeit, in der sich die Kundschaft wieder an bunter Flora zu Geburtstagen, zum Muttertag, zu Jubiläen, zum Kaffee-Kränzchen oder zu familiären Feiern erfreute und auch zu Bestattungen ihre Wünsche hatten.

Die Umsätze und die Treue der Kundschaft ließen zu, dass die Blumenfrau Gretl bereits 1950 ihr Geschäft in größere Räume in der Kanzleigasse verlegte. Gretl hatte das fachliche Wissen und schuf sich als vorzügliche Blumenbinderin einen guten Namen, was sie immer wieder auch mit großen Blumen-Arrangements auch für die Hotellerie bewies.

Gelegentlich kam es auch dazu, dass ihr aus Haushalten  des „Westbahnhof“, wo in den 50oern noch die Hausgärten der Baugenossenschaft intensiv bewirtschaftet wurden, zartes Spargelkraut des auch blühenden Gemüses angeboten wurde. Wer als junger Bote damit auftrat, sollte auch 50 Pfennig dafür bekommen. während einzelne Stängel des echten Spargels das Sonntagsessen oder wenigstens die Suppe bereicherte.

Weit besser für den Umsatz mit der Laufkundschaft war schließlich, dass der Blumen-Fackler noch zentraler lag, als 1953 Geschäftsräume im städtischen Eigentum im südlichen Bogen des Riettores bezogen wurden. Das Angebot für Vase, Tisch und Balkon wurde erweitert und zum Arbeitsprogramm gehörten bald auch die Landschaftsgärtnerei und die Grabpflege, so die benannte „Werbung in eigener Sache“ 19674/65.

Noch heute erinnern sich wohl noch einige Villinger Senioren an heitere Fackler-Anekdoten. Fragte wer den Franz, wie es ihm gehe, meinte er nur stereotyp: „Auf zwei Füße, wieä imme halbe Hund!“

Seine Gretl, die als zurückhaltendgalt, war jedoch stets und eher diejenige, die den Laden zusammenhielt, was  bis in die 70er Jahre dauerte.

Gretl Fackler verstarb im Oktober 1994

 

 

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